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Raimund Kalinowski

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Qualitätssicherung und Sorgfaltspflicht

Die Prozesse der Kegabfüllung sollten regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden.

Kegs wurden in deutschen Brauereien erst Mitte der 1970-er Jahre eingeführt. Die ersten Keg-Abfüllanlagen in Deutschland kamen aus England. In den ersten Jahren gab es heftige Diskussionen über die Vor- und Nachteile von Korb- und Flach(kopf)fittingen und deren Befestigung im Keg. Schraub- und Bajonettlösung mit Standard- oder Spezialwerkzeug wurden bezüglich Betriebs- und Manipulationssicherheit ebenso betrachtet, wie der zu erwartende Arbeitsaufwand bei der Pflege und Wartung. Auch das Material der Kegs stand noch nicht fest. Einige Keg-Hersteller setzten auf das Aluminiumkeg. Guinness z.B. hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine große Anzahl Aluminium-Twin-Chamber-Keg (bei dem das Zapfgas, ein Gemisch aus Stickstoff und CO2 (wegen des Anteils an gelöstem Stickstoff im „Draught Guinness“) in einem im Keg integrierten Bereich, an den Wirt geliefert wurde) im Einsatz. Polyurethanummantelte Kegs brachten eine Wärmedämmung und einen „eingebauten Fallsack“ gleich mit. Erst schlecht erkennbare Risse in der Edelstahlfassblase brachten hier die Ernüchterung, dass auch ein ummanteltes Keg ohne Fallsack stark beschädigt werden kann. Über Recycling und den Schrottwert machte man sich noch wenig Sorgen, die Werbekampagne "ex und hopp" von 1967 war noch nicht negativ besetzt.

Stellenwert der Kegabfüllung im Betrieb
Die Kegabfüllung war Ende der 1970-er Jahre häufig die modernste und innovativste Abteilung der Brauerei. Im Bereich der alkoholfreien Erfrischungsgetränke waren die Mengen der Fertiggetränke für den Offenausschank noch sehr klein. Anders als beim Bier, wird eine frisch gezapfte Limonade nicht als hochwertiger angesehen, als ein in der Flasche verkauftes Erfrischungsgetränk. Für alkoholfreie Erfrischungsgetränke waren sogenannte Figals (five gallons Container) vorherrschend. Erst in den 1990-ern wurden vereinzelt AFG-Kegs eingeführt, die für die in alkoholfreien Erfrischungsgetränken üblichen hohen CO2-Gehalte geeignet waren.

Vor Einführung der Kegs war die Schwankhalle die Brauereiabteilung mit dem geringsten innerbetrieblichen Prestige; ein Brauer der dort arbeiten musste, empfand das als Strafe oder zumindest als Makel. Hat sich durch die Umstellung auf Kegs daran etwas geändert?

Wenn man die Beschreibung der Prozesse der Kegabfüllung im Qualitätshandbuch der Betriebe betrachtet, ist es häufig schwierig eine kontinuierliche Verbesserung der Prozesse zu erkennen. Viele Keg-Abfüllanlagen sind sehr alt und die Maßnahmen zur Sicherung der Produktqualität sind selten auf einem aktuellen Stand. Diese Untätigkeit wird häufig damit begründet, dass man kaum Reklamationen und "eigentlich" keinerlei Probleme habe. Dies erinnert ein wenig an die Diskussion, dass auf der einen Seite bei knapp 4.000 Straßenverkehrs-Toten im Jahr "jeder Tote ein Toter zu viel" sei und man über ein Tempolimit auf Autobahnen nachdenken müsse, obwohl insbesondere der Anteil der getöteten Fußgänger angestiegen ist, aber entfernt von Politik und vom Medien-Interesse sterben jährlich mindestens 15.000 Menschen an MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, eine häufig vorkommende Krankenhausinfektion). Das Argument, dass 15.000 Tote ja nur 0,08% der Krankenhauspatienten wären, klingt vergleichbar mit dem, des nicht vorhandenen Problems der Kegabfüllung.
Wer nicht auf Vorschriften oder Gerichtsurteile warten möchte und für den Qualitätssicherung nicht weiße Kittel sind, die die Produktion stören, der sollte auch die Prozesse in der Kegabfüllung regelmäßig auf den Prüfstand stellen. keg_abfuellanlage

Qualitätssicherung durch die Produktion
Auch im Kegbereich sollte zwischen Produktions- und Qualitätskontrollen unterschieden werden. Die Produktionskontrollen werden von der Produktion festgelegt und sollen sicherstellen, dass das Produkt, das an den Kunden ausgeliefert wird, in vollem Umfange den Vorgaben entspricht. Eine Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass diese Vorgaben schriftlich fixiert sind. D.h. die Bierqualität inkl. CO2-Konzentration mit Toleranzen und max. zulässiger mikrobiologischer Belastung sind ebenso (schriftlich) definiert, wie der zulässige Zustand der Kegs, von unzureichend entfernten Aufklebern und sonstigen inneren und äußeren Verunreinigungen bis hin zu Beschädigungen. Welche Art und Mengen von Verunreinigungen eine Anlage störungsfrei verarbeiten und vollständig entfernen kann ist eventuell durch Versuche zu ermitteln. Selbstverständlich müssen die Ergebnisse statistisch abgesichert und nachvollziehbar protokolliert sein.

In den Prozessbeschreibungen wird festgelegt, wie die Produktion eine 100% Qualität sicherstellen will. Die Qualitätssicherung prüft dann, ob die von der Produktion festgelegten Maßnahmen den erwarteten Erfolg bringen. Hierzu gehören auch immer Kontrollen im Lager! Wenn fehlerhafte Ware ins Lager oder zum Kunden gelangt, ist festzustellen, ob die von der Produktion festgelegten Maßnahmen nicht ausreichen, um die Vorgaben zu erfüllen oder nicht umgesetzt werden. Falls sie nicht umgesetzt werden, ist der Grund hierfür zu ermitteln, so kann es sein, dass der Mitarbeiter es zeitlich nicht schaffen kann oder technische Einrichtungen fehlen oder mangelhaft sind, dass er die Anweisungen nicht kennt oder nicht verstanden hat, dass er den Sinn nicht einsieht und sich deshalb weigert die Vorschriften umzusetzen oder dass er zu dumm und/oder faul ist. Die hier beispielhaft aufgeführten Ursachen sind ein Problem des für die Produktion Verantwortlichen und nicht ein Problem des Mitarbeiters.

Differenzierung der Produktionskontrollen
Bei den Produktionskontrollen können drei Bereiche unterschieden werden: Verarbeitungsfähigkeit, direkte und indirekte/indikative Prüfungen.

Die Feststellung der Verarbeitungsqualität liegt im ureigensten Interesse der Produktion, Kegs die so erhebliche Fehler aufweisen, dass sie nicht mehr sicher befüllt werden können, dazu gehören auch Kegs mit einem so hohen Innendruck, der das sichere Öffnen des Ventil des Fittings möglicherweise verhindert, würden die Abfüllleistung der Anlage reduzieren, gelangten sie in die Abfüllung.

Äußere, in der Anlage nicht entfernbare Verschmutzungen, die Außenmaße inkl. Deformationen oder Beschädigungen der Ummantelung bei entsprechend ausgeführten Kegs, Fremdkegs, fehlende oder nicht korrekt montierte Fittings, können in der Regel direkt durch automatische oder visuelle Inspektionen erkannt werden. Wobei eine visuelle Keg-Inspektion die vereits vor Jahrzehnten gewonnen Erkenntnisse der visuellen Leerflaschenispektion nutzen sollte. D.h. Kegs müssen entweder gedreht oder die nicht direkt einsehbaren Bereiche müssen durch Spiegel sichtbar gemacht werden. Die Beleuchtung muss deutlich heller und farbneutraler sein, als bei einem normalen Arbeitsplatz. Ein Stopper gehört selbstverständlich dazu, damit uninspizierte Kegs nicht zur Abfüllung gelangen können. Ein kleiner Puffer vor der Abfüllung kann verhindern, dass die Betätigung des Stoppers eine Minderung der Abfüllleistung zur Folge hat.

Indirekte ./. direkte Kontrollen
Kontaminationen mit Fremdflüssigkeiten oder größere Mengen an mikrobiologisch verdorbenem Produkt, werden in der Regel durch indirekte Erkenntnisse vermutet. Ob diese Abweichungen von der Normalität ein Fehler sind, kommt auf die angewandten Prozesse in der Keg-Reinigung an. Auch wenn es technisch möglich wäre, einige dieser Fehler direkt zu analysieren, scheut man den damit verbundenen finanziellen Aufwand. Verdorbenes Produkt und zahlreiche Fremdflüssigkeiten könnten direkt automatisch in der Restflüssigkeit oder/und aus der Gasphase des Kegs bestimmt werden. Aber auch mögliche indirekte Kontrollen, wie z.B. eine pH-Wert-Messung, kommen aus Kostengründen nur selten zum Einsatz.

Der Übergang von direkten zu indirekten Kontrollen ist manchmal fließend. Wenn z.B. festgestellt wird, dass ein "leeres" Keg ein zu hohes Gewicht hat, ist z.B. die direkte Erkenntnis: In der vorgesehenen Zeit kann es in der Anlage nicht entleert werden, deshalb muss es aussortiert und getrennt vom normalen Prozess entleert werden. Da es nicht der Normalität entspricht, dass relativ volle Fässer zurück gegeben werden, könnte man Vermutungen über die Gründe oder entsprechende Untersuchungen anstellen. Falls eine Überprüfung der Restflüssigkeit durch die Mitarbeiter der Kegabfüllung durchgeführt werden soll, sind der Ausbildungsstand und mögliche gesundheitliche Gefahren zu berücksichtigen.

Falls ein Keg nicht bestimmungsgemäß benutzt worden ist, treten häufig mehrere Fehler gleichzeitig auf. Wenn z.B. ein Keg ohne Restdruck und mit losem Fitting zurück kommt, ist es nicht ausreichend nur das Fitting wieder festzuschrauben und eine Druckprüfung durchzuführen.

Fehlerfreie Organisation ist möglich
Wenn der Motor eines Autos plötzlich Wasser "verbraucht", sucht man gewöhnlich nach der Ursache. Wenn man dem KFZ-Monteur nichts von dem Wasserverbrauch erzählt, sucht der zunächst weder nach diesem Fehler noch nach der Ursache hierfür sondern führt eine Routineinspektion durch, bei der er diesen Fehler möglicherweise übersieht. Analog dazu ist es zwingend erforderlich, dass ein Keg, das aussortiert wird, eindeutig mit dem Grund der Aussortierung gekennzeichnet wird, damit zielgerichtet das Keg weiter bearbeitet werden kann. Wenn alle ausgesonderten Kegs gemeinsam gesammelt und manuell nachkontrolliert werden, ist es möglich, dass der Grund der Aussortierung nicht beseitigt wird. Falls ein Keg mehrere Fehler aufweist, besteht eine relativ große Gefahr, dass ein Fehler behoben und weitere evtl. schwierig erkennbare Fehler übersehen werden.

Wenn ein Keg mit einem Fehler erkannt wurde, muss dieses Keg mit 100% iger Sicherheit ausgeschleust werden und es muss zu 100% sichergestellt werden, dass dieses Keg mit dem noch vorhandenen Fehler nicht zurück in den Produktionsprozess gelangt. Dies klingt sehr simpel und einleuchtend und wird trotzdem sehr häufig, auch in sehr großen und namhaften Betrieben, missachtet. Der Hinweis, dass in der Technik 100% nicht möglich sind, ist hier unpassend, denn dies ist keine technische sondern eine organisatorische Angelegenheit und jeder Buchhalter weiß, dass es möglich ist, eine Kasse zu führen, die auf den Cent genau stimmt.

Kegs mit irreparablen Fehlern sollten unverzüglich so behandelt werden, dass es unmöglich ist, sie erneut zu verwenden. Ein in die Fassblase gebohrtes 20 mm Loch erfüllt z.B. diese Anforderung. Eine vertragliche Vereinbarung mit einem Verwerter, hilft wenig, wenn seine meist geringverdienenden Mitarbeiter sich nicht an diese Verträge halten und diese Kegs illegal verkaufen.

Die automatische Identifikation eines Kegs über z.B. Barcode oder Transponder wird seit über 20 Jahren erfolgreich eingesetzt. Hiermit lassen sich u.a. erkannte Fehler einem Keg zuordnen.

Nicht dokumentiert = nicht geschehen
Defizite in der Dokumentation sind auch heute noch die Regel. Statt manuell ausgefüllte Abfüllberichte mit automatisch erfassten Daten und Protokollen der Inspektionen, Nachbesserungen der ausgesonderten Kegs und Ergebnissen der Qualitätssicherung zusammenzuführen, werden in der Praxis die Daten weder auf Vollständigkeit noch auf Plausibilität geprüft, einige Daten werden überhaupt nicht erfasst und andere werden bis zur Unbrauchbarkeit verdichtet, obwohl Speicherplatz fast nichts kostet. Statt hierfür Erklärungen zu suchen, macht es mehr Sinn einfach die Dokumentation heutigen Anforderungen gemäß durchzuführen.

Fazit
Die Defizite in der Kegabfüllung sind meist größer als in anderen Abteilungen. Aber darf man Probleme ignorieren, nur weil sie relativ klein erscheinen? Gelten für die Kegabfüllung vollkommen andere Qualitätsmaßstäbe, als für die Flaschenabfüllung? Wer diese Fragen mit nein beantwortet, sollte die Prozesse der Kegabfüllung regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Die Qualitätssicherung sollte die Wirksamkeit der von der Produktion festgelegten Prozesse regelmäßig überprüfen und der Produktion hierdurch helfen, damit ausschließlich Produkte innerhalb der vom Betrieb festgelegten Toleranzen zum Kunden gelangen. Zur Optimierung der Prozesse inkl. der Dokumentation ist praktische Erfahrung erforderlich, diese Aufgabe z.B. einem Praktikanten zu übertragen, ist nicht zielführend.

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© 2013 by Raimund Kalinowski