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Raimund Kalinowski

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H2O oder doch  Sauerstoffsäure?

Regeln bestimmen das Leben. Selbst im Chaos sind noch Regeln erkennbar. Naturwissenschaftliche Regeln werden entdeckt und entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft in das Gesamtsystem integriert. Andere Regeln werden von Menschen erdacht. Nur wenn man überholte Regeln ersetzt und neue bessere Regeln findet, findet Fortschritt statt.

Als der Lehrer die Formel H2O an die Tafel schrieb und fragte was das sei, meldete sich Sabine und sagte stolz: „Die Sauerstoffsäure!”, denn sie hatte gelernt, wenn vorne Wasserstoffatome stehen, dann handelt es sich um eine Säure und bei zwei Wasserstoffatomen und einem einzelnen Sauerstoffatom am Ende, musste es sich nach Ihrer Überzeugung außerdem um eine sehr starke Säure handeln, die ihren Namen durch das „Anhängsel” dem Sauerstoffatom bekam.

Wenn man HOH statt H2O schreiben würde, hätte Sabine vermutlich erkannt, dass das „vorne eine Säure und hinten eine Base” ist. Diese Diskussion mag albern erscheinen? Aber so wie Sabine in der Schule nach Regeln lernt, um etwas zu verstehen, so arbeiten wir alle nach Regeln, die wir glauben verstanden zu haben oder die die Gesellschaft oder der Gesetzgeber uns vorschreiben.

So wie gesetzliche Regeln sich ändern, ändern sich auch technische Erkenntnisse. Lobenswerterweise versucht der Gesetzgeber häufig Regeln zu vereinfachen oder klarer zu formulieren. Aber selbst wenn fast alle erkennen, dass sich hinter der Formel H2O einfach Wasser verbirgt, gibt es auch die Sabines dieser Welt, die glauben das Recht zu haben, H2O als Sauerstoffsäure zu bezeichnen. Somit muss der Gesetzgeber bei der Formulierung von Regeln primär an Sabine und nicht an den normalen Bürger denken.

Nach der alten Mineralwasserverordnung durfte man das Wasser enteisen, unabhängig davon ob sich im Ausgangswasser Eisen befand. Aktuell heißt es: „Die Anwendung des Verfahrens nach Absatz 1 Nr. 2 [Abtrennen von Eisen-, Mangan- und Schwefelverbindungen sowie Arsen unter Verwendung von mit Ozon angereicherter Luft, sofern die Zusammensetzung des natürlichen

Mineralwassers durch dieses Verfahren in seinen wesentlichen, seine Eigenschaften bestimmenden Bestandteilen nicht geändert wird;]ist nur zulässig, wenn eine solche Behandlung auf Grund der Zusammensetzung des Wassers aus Eisen-, Mangan- und Schwefelverbindungen sowie Arsen zu technologischen Zwecken gerechtfertigt ist;”.

Technologie ist die Lehre oder Wissenschaft der Technik. Was will uns der Gesetzgeber mit der Formulierung „zu technologischen Zwecken” sagen bzw. vorschreiben? Vermutlich meint der Gesetzgeber: „wenn das Verfahren geeignet ist, den Gehalt an Eisen-, Mangan- und Schwefelverbindungen sowie Arsen nennenswert zu senken”, aber er schreibt es nicht. Was ist ein „technologischer Zweck”? Nach Wikipedia wird als Zweck der Beweggrund einer zielgerichteten Tätigkeit oder eines Verhaltens verstanden. Wenn also der wissenschaftliche Beweggrund der Ozonverwendung z.B. wäre festzustellen, ob sich durch die Ozonbehandlung weder Arsen noch Mangan bilden, wäre dann das Verfahren zulässig? Das klingt natürlich unsinnig, aber in vielen Betrieben gibt es eine „Sabine”.

Stilles Mineralwasser wurde praktisch ausnahmslos unter der Verwendung von Ozon enteisent, da es technisch nicht vermeidbar ist bei der „Enteisenung” mit Ozon das Wasser auch zu entkeimen. Eine Entkeimung des Mineralwassers mit Ozon war und ist auch weiterhin nicht zulässig. Eine Filtration ist nur zur Abtrennung unbeständiger Inhaltsstoffe, wie Eisen- und Schwefelverbindungen erlaubt. Was bedeutet in diesem Zusammenhang das Adjektiv „unbeständig”? Sind Mikroorganismen „unbeständige Inhaltsstoffe”? „Sabine” wird diese Frage sicherlich schon für sich beantwortet haben.

Bei der Herstellung bzw. Abfüllung von Wasser für den menschlichen Genuss gibt es u.a. drei Problemkreise:

  • mikrobiologische Haltbarkeit

  • Entfernung von Feststoffen

  • Lösen von Gasen

die nachfolgend näher betrachtet werden sollen.

In der Quelle ist das Wasser (nahezu) steril. Bei einer hygienisch optimalen Gestaltung der Anlage sollte dieser Zustand aufrecht erhalten werden. Wenn eine erhöhte Keimbelastung festgestellt wird, benötigt man kein Verfahren zur Keimreduzierung sondern man hat ein grundsätzliches Problem, das es zu beseitigen gilt.

Die Anforderungen an die Anlagentechnik entsprechen denen, die für ein empfindliches Lebensmittel gelten. Die Anlage sollte reinigungs- und sterilisationsfähig ausgeführt werden. Das klingt sehr simpel und wird doch häufig missachtet. Insbesondere bei sehr langen Leitungen wird die Nennweite häufig zu groß gewählt, um den Druckverlust und die damit verbundene Pumpenleistung niedrig zu halten. Bei Fließ-Geschwindigkeiten unterhalb von 1,6 m/s muss damit gerechnet werden, dass sich Feststoffe wie z.B. Sand in der Rohrleitung absetzen.

Häufig stellt sich die Frage, ab wo die vom Brunnen kommende Leitung cip-fähig ausgeführt sein sollte? Die vertikale Leitung vom Brunnen in die Brunnenstube ist der einzige Teil, der nicht in die Reinigung eingebunden wird. Um eine Kontamination des Brunnens auszuschließen, wird die Einbindung vermischungssicher - bevorzugt mit Doppelsitz- oder Doppeldichtventilen - ausgeführt. Es kann erwogen werden die CIP-Hilfsleitung während des Betriebs auch als Produktleitung zu verwenden. Hierdurch werden während des Betriebs die Fließgeschwindigkeit und die Pumpenleistung reduziert. Falls diese Lösung gewählt wird, sollte die Fließgeschwindigkeit während der CIP-Reinigung bevorzugt bei über 2 m/s liegen. Falls es mit der Druckfestigkeit der Bauteile vereinbar ist, darf die Fließgeschwindigkeit während der CIP-Reinigung aber auch über 3 (bis etwa 3,5) m/s betragen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass einige Scheibenventiltypen bei diesen Fließgeschwindigkeiten nicht geschlossen werden dürfen. Durch Kavitation kann bei einigen Scheibenventilen die Dichtung aus ihrem Einbauraum herausgerissen werden. Hier sollten entweder Scheibenventile eingesetzt werden, die dieses Problem nicht aufweisen oder die Ventile sollten nur geschaltet werden, wenn die Fließgeschwindigkeit niedrig genug ist. Meist werden sehr wenig Ventile benötigt, sodass erwogen werden sollte, Sitzventile mit eingeschweißtem Gehäuse, statt pneumatisch betätigter Zwischenflanschscheibenventile, zu verwenden.

Falls lösbare Rohrverbindungen aus technischen Gründen notwendig sind, sollten sie nach DIN 11853 [hygienische Rohrverbindungen] (früher 11864 kurz), bevorzugt als Flanschverbindung ausgeführt werden. Die meisten Pumpenhersteller rüsten ihre Pumpen noch standardmäßig mit Gewindestutzen nach DIN 11851 [”normale” Milchrohrverschraubung] aus. Diese Verbindung ist relativ billig und entspricht (noch) den anerkannten Regeln der Technik jedoch nicht mehr dem Stand der Technik und auch nicht den hygienischen Grundregeln, wie sie z.B. von der EHEDG veröffentlicht werden. Bei Pumpen mit Gehäusen aus geschmiedetem Vormaterial oder aus Feinguss sind lösbare Rohrverbindungen in der Regel unvermeidbar, um die Pumpe reparieren zu können. Bei Pumpen mit Gehäusen aus tiefgezogenem Blech, kann das Pumpengehäuse hingegen eingeschweißt werden, sofern es hierfür eine Freigabe vom Pumpenhersteller gibt. Abb.1 Eingeschweißte Kreiselpumpen

eingeschweisste_pumpen

Da neben sedimentierbaren Feststoffen und einer relativ kleinen Keimanzahl nicht mit anderen Verschmutzungen gerechnet werden muss, ist die CIP-Reinigung relativ einfach. Falls die Leitung kurz genug ist, sollte eine Reinigung mit Warmwasser (>80°C im Rücklauf) geprüft werden. Bei längeren Leitungen ist der Wärmeverlust in der Regel zu groß, sodass die Warmreinigung mit vertretbarem Aufwand hier nicht durchführbar ist. Im Regelfall wird bei langen Leitungen eine Reinigung mit einem oxidativen Mittel wie Wasserstoffperoxid oder Peressigsäure bzw. einem Gemisch aus beiden gewählt werden.

In der Pharmaindustrie versucht man Anlagen zu bauen, die sich vollständig entleeren lassen, da es ohne Feuchtigkeit kein mikrobiologisches Wachstum gibt. Um z.B. eine Restenleerung von Kreiselpumpen zu erreichen, werden sie mit Ablassventilen ausgestattet oder vertikal montiert. Für Anlagen, die nur wenige Male im Jahr benutzt werden, kann dieser Denkansatz richtig sein.

Produktionsanlagen in der Getränkeindustrie sind hingegen regelmäßig in Betrieb. Deutlich effizienter als eine vollständige Entleerung, ist eine ununterbrochene Druckbeaufschlagung und -überwachung nach erfolgter Reinigung/Sterilisation. Dies mag einfach klingen, in der Praxis kommt es bei der Umsetzung aber regelmäßig zu Fehlern, wenn diese Technik angewendet wird. Zunächst muss die Anlage vollständig sterilisiert worden sein. Abzweigungen oder tote Enden lassen sich nicht oder nur mit erheblichem Aufwand sterilisieren. Eventuell sind Ablass- bzw. Entlüftungsventile nachzurüsten. Abb. 2 Mit „Aufwand” falsch montiertes Probenahmeventil probenentnahmeventilBevorzugt werden ausschließlich Ventile mit Endlagenrückmeldung eingesetzt. Taktungen d.h. notwendige Ventilbetätigungen während der Reinigung, zeigen in der Regel an, dass die Anlage nicht optimal ausgeführt wurde.

Vor der Auftragsvergabe einer neuen Anlage an einen Anlagenbauer sollte immer ein Lastenheft erstellt werden. Das Lastenheft sollte im Vertrag noch vor der technischen Spezifikation genannt werden. Bei widersprüchlichen Angaben sollte das Lastenheft verbindlich sein.

Zur Entfernung von Feststoffen werden meistens Kerzenfilter eingesetzt. Obwohl die Filtergehäuse in der Regel außen eine polierte Oberfläche aufweisen, die an eine Christbaumkugel erinnert, wird zur Spezifikation der Oberflächengüte der noch gebräuchliche, aber wenig aussagekräftige, mittlere Rauhigkeitswert Ra, angegeben. Ein Ra von < 0,8µm ist inzwischen Standard. Man kann sich häufig nicht des Eindrucks erwehren, dass viele Filtergehäuse nach dem Motto „mehr scheinen als sein” zusammengestellt werden. Die Unbeschwertheit mit der zahlreiche Filtergehäuse konstruiert werden, ist erschreckend und wird nur noch von der Argumentationskette des „geschulten” Verkäufers übertroffen.

Die Produktanschlüsse sollten bevorzugt als Schweißstutzen geliefert werden. Flansche nach DIN 11853 sind die zweitbeste Lösung und Milchrohrverschraubungen nach DIN 11851 sind nicht mehr zeitgemäß. Gewindemuffen z.B. zum Einschrauben von Entlüftungsventilen werden in der Regel damit „erklärt”, dass sie sich auf der Unfiltratseite befinden würden. Eine Konstruktion, die nicht durchgängig dem Stand der Technik und den hygienischen Anforderungen genügt, sollte vom Kunden nicht akzeptiert werden. Sofern nicht genormte Bauteile, wie z.B. Ventile angebaut werden, sollte der Kunde Hersteller und Type ohne Einfluss auf Garantie oder Gewährleistung frei wählen dürfen.

Nicht die Filtergehäuse sondern die Filterkerzen sind das Hauptgeschäft der Anbieter. Wenn ein Hersteller den Dornröschenschlaf der Branche durchbrechen und zeitgemäße, kundenorientiert ausgestattete Filtergehäuse anbieten würde, würde er feststellen, dass Kunden nur dann nach dem Preis kaufen, wenn die Waren praktisch identisch sind. Für einen Mehrwert bezahlt der normale Kunde auch einen angemessenen Mehrpreis.

Um Kohlendioxid oder Sauerstoff in der gewünschten Menge im Wasser lösen zu können, muss der Partialdruck erreicht bzw. überschritten werden. Wenn vorher andere Gase entfernt werden, sinkt der notwendige Partialdruck. Eine Kombination aus Druckentgasung und -Karbonisierung ist technisch relativ einfach zu realisieren. Nahezu alle Niedrigpreis-Premixer zur Herstellung von karbonisierten Erfrischungsgetränken verwenden deshalb dieses Verfahren. Insbesondere bei hohen Kohlendioxidgehalten lassen sich hiermit sehr gute Ergebnisse erzielen. Leider sind diese Funktionseinheiten nur äußerst schwierig so zu konzipieren, dass sie heutigen Anforderungen an Hygiene und Reinigunsfähigkeit entsprechen. Bei Vakuumentgasungen und Inline-Karbonisierungen gibt es Ansätze für eine hygienische Ausführung. Bypass- oder Rückführleitungen sowie T-Stücke verhindern jedoch die Erreichung des Ziels bei den meisten angebotenen Anlagen.

Wenn es heute schon alles gäbe, was sollten denn dann die Konstrukteure und Planer morgen konzipieren. Wenn man sich den Fortschritt während der vergangenen 20 Jahre betrachtet, kommt man leider zu dem Schluss, dass man bereits heute das Lastenheft für die Entwicklungen der kommenden 20 Jahre schreiben könnte.

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© 2007 by Raimund Kalinowski