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Raimund Kalinowski

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Mikrorisse in Plattenwärmeübertragern

Ein positives Druckgefälle kann eine Vermischung nicht verhindern!

Als Albert Einstein vor 100 Jahren die Relativitätstheorie aufgestellt hatte, war dies für Fachleute revolutionierend gewesen.

Zeit ist relativ und Lichtgeschwindigkeit ist absolut, das Weltall ist endlich und in sich geschlossen. Vieles von Einstein erkannte, übersteigt unser Vorstellungsvermögen. Die naturwissenschaftlichen Aussagen von Isaac Newton sind für die meisten wesentlich leichter zu begreifen und gehören deshalb weiterhin zum Lehrplan der allgemeinbildenden Schulen. Albert Einsteins Erkenntnisse werden vom deutschen Schulsystem hingegen noch weitgehend ignoriert. Auch wenn wir es besser wissen, unser tägliches Leben wird von subjektiven Erfahrungen geprägt. So wie die Zeit für uns absolut ist und Wasser den Berg hinunter fließt, kommen wir mit der Welt des Isaac Newton relativ gut zu Recht. So wird nach dem Stand der Technik ein Plattenapparat mit positivem Druckgefälle ausgelegt, damit im Falle einer Leckage das Produkt nicht kontaminiert werden kann.

In der Bierflasche herrscht der CO2-Sättigungsdruck. Obwohl der Druck in der Bierflasche selbst bei sehr niedriger Temperatur noch deutlich höher ist, als der atmosphärische Druck, dringt bei einer barrierefreien Standard-PET-Flasche eine erhebliche Menge Luftsauerstoff in die Flasche ein. Jedem Fachmann ist klar, dass zahlreiche Materialien nicht gasdicht sind und durch die Partialdrücke in der Flasche und in der Atmosphäre, CO2 nach außen diffundiert und Luftsauerstoff in die Flasche eindringt. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die sich mit dem Gasaustausch z.B. auch in Dichteinlagen von Verschlüssen beschäftigen. Dieses Thema ist allgemein bekannt.

Vor etwa einem Jahr wurde an dieser Stelle die Frage gestellt: Reicht es bei einem Mikroriss in einer Platte eines Plattenwärmeübertragers aus, wenn der Apparat mit positivem Druckgefälle betrieben wird?

Literaturangaben bezüglich des osmotischen Drucks in Bier und Wärmeträgern sind meist sehr unpräzise formuliert. Es kann aber als sicher gelten, dass der osmotische Druck des Bieres höher ist, als der eines Glykol-Wassergemisches.

Inzwischen haben einige große Brauereien eigene Untersuchungen angestellt und mussten die im vergangenen Jahr gestellte Frage verneinen. Es gilt als gesichert, dass trotz eines positiven Druckgefälles z.B. Glykol in den Hauptproduktstrom eindringen kann. Wenn es sich um Mikrorisse oder Pinholes handelt, ist eine treibende Kraft der osmotische Druck. Bei größeren Rissen oder Löchern überwiegt hingegen das Druckgefälle. Da innerhalb eines Wärmeübertragers immer turbulente Strömung herrschen sollte, sind die allgemein gebräuchlichen Modelle, die auf laminarer Strömung basieren, unbrauchbar. Durch die turbulente Strömung gibt es trotz eines positiven Druckgefälles im Bereich der Leckage immer einen Stoffaustausch in beide Richtungen.

Risse oder kleinste Löcher in Plattenwärmeübertragern sind viel häufiger anzutreffen, als die meisten Betreiber dies vermuten. Selbst bei fabrikneu ausgelieferten Apparaten sind Risse in Platten keine Seltenheit. Üblicherweise werden Fehlstellen mit der Farbeindringprüfung oder der noch empfindlicheren fluoreszierenden Eindringprüfung nach DIN EN 571-1 ermittelt. Es muss dringend empfohlen werden, diese Prüfung regelmäßig, z.B. bei einer jährlichen Routineinspektion oder spätestens beim Dichtungswechsel und vor jeder Erstinbetriebnahme durchzuführen.

Auch wenn die Entstehung von Rissen nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann, so gibt es doch einige Ursachen, die man weitgehend vermeiden kann. Beim Anfahren leerer Rohrleitungen und leerer Plattenapparate entstehen teilweise extrem hohe Strömungsgeschwindigkeiten. Rohrleitungen und Plattenapparate sollten deshalb möglichst nie entleert werden und falls eine Entleerung nicht zu vermeiden ist, sollten sie sehr langsam befüllt werden, bevor sie wieder in Betrieb genommen werden. Extreme Temperatur- und/oder Druckunterschiede, wie sie z.B. beim Sterilisieren mit Dampf auftreten können, sollten vermieden werden. Apparate sollten nicht nachgespannt werden, falls sie nachgespannt werden, darf auf keinen Fall das vom Hersteller angegebene minimale Spannmaß unterschritten werden. Dies mag profan klingen, es ist aber eine der häufigsten Ursachen für beschädigte Platten.

Wenn es nicht sicher auszuschließen ist, dass sich der Wärmeträger mit dem Produkt mischt, muss jede gesundheitliche Schädigung des Konsumenten durch eine etwaige Kontamination vermieden werden. In den allermeisten Fällen wird in Brauereien als Wärmeträger eine Wasser-Propylenglykol- oder eine Wasser-Äthanol-Mischung eingesetzt. Beides ist im Bier physiologisch unbedenklich. Übliche Leckagen sind so gering, dass sie mit der heute verfügbaren Analytik nicht nachgewiesen werden können. Seit Jahren ist der Verfasser - bis jetzt leider vergeblich - auf der Suche nach einem gesundheitlich unbedenklichen, preiswerten Tracer. Bis ein solcher zur Verfügung steht, bleibt einem verantwortungsbewussten Betreiber nur die routinemäßige Prüfung auf Undichtigkeiten.

Ob es Sinn macht, durch geeignete Zusätze den osmotischen Druck auf der Wärmeträgerseite so zu verändern, dass bei Mikrorissen Bier in den Wärmeträger und nicht Wärmeträger ins Bier gelangt, lässt sich nicht mit einem einfachen ja oder nein beantworten, da es nicht einfach ist, geeignete Zusätze zu definieren. Sicherlich wäre eine wissenschaftliche Arbeit zu diesem Thema sehr wünschenswert, um dem Praktiker eine echte Hilfe zu geben.

(Tief-)kühlabteile und Erhitzerabteile zeigen gegenüber Rekuperationsabteilen überdurchschnittlich häufig Risse. Selbstverständlich kann dies auch an den hydraulischen Einflüssen und an größeren Druckunterschieden zur vor- oder nachgeschalteten Rohrleitung liegen. Bei mehrstufigen Wärmeübertragern wie z.B. zweistufigen Würzekühlern oder Kurzzeiterhitzern sind die Kühl- und Erhitzerabteile meist ein Kompromiss. Aus thermodynamischer Sicht werden sie üblicherweise vollkommen überdimensioniert, damit sie hydraulisch zum Rekuperationsabteil passen. Aus vermeintlichen Kostengründen wird jedoch häufig ein nicht optimale Lösung gewählt. Selbstverständlich gibt es Kunden, die prinzipiell das Billigste kaufen oder für die ein Plattenapparat möglichst klein und kompakt sein muss, häufig nehmen Lieferanten jedoch nur an, dass dies für den Kunden besonders wichtig wäre ohne, dass sie auch nur einen Anhaltspunkt hierfür haben. Statt nach den Prioritäten zu fragen, wird im Rahmen der vom Auslegungsprogramm vorgegebenen Möglichkeiten ein scheinbar „günstiger“ Plattenapparat ausgelegt. Wenn man strikt nach den „Total Cost of Ownership“, d.h. den Gesamtkosten während der gesamten Betriebszeit des Apparates entscheiden würde, würden weit mehr als die Hälfte aller Plattenapparate nicht so ausgeführt werden, wie sie derzeitig ausgeliefert werden.

Der Durchfluss in Röhrenwärmeübertragern ist bei einer optimalen Konstruktion deutlich gleichmäßiger als bei Plattenapparaten.

Durch Verdampfung oder Kondensation wird spezifisch deutlich mehr Wärme übertragen, als bei einer flüssig:flüssig Wärmeübertragung. Wenn der Wärmeübertrag durch Änderung des Aggregatzustandes erreicht wird, kann eine schnelle Druck- statt einer prinzipbedingt relativ trägen Temperaturregelung, mit einer deutlich höheren Regelgüte realisiert werden. Durch den besseren Wärmeübergang kann das Produktvolumen im Wärmeübertrager im Vergleich zum flüssig:flüssig betriebenen Plattenapparat reduziert werden. Durch die gleichmäßigeren Strömungsverhältnisse werden Mischzonen beim An- und Abfahren bzw. beim Produktwechsel reduziert. Die Grenzflächentemperaturen liegen näher bei der Solltemperatur, wodurch örtliche Überhitzungen beim Erhitzer deutlich reduziert werden. Die Energieeinsparung beim Erhitzer ist zu vernachlässigen, da nur ein Teil der Abstrahlwärme sowie die Leistungsaufnahme der Warmwasser-Umwälzpumpe entfallen. Beim Kühlabteil ist die Energieeinsparung hingegen erheblich, da die Verdampfungstemperatur deutlich angehoben werden kann. Allein aus diesen betriebswirtschaftlichen und brauereitechnologischen Gründen bieten Röhrenwärmeübertrager beim Erhitzer und Kühler erhebliche Vorteile gegenüber Plattenpaketen.

Röhrenwärmeübertrager gewähren jedoch die erhöhte Betriebssicherheit nur, wenn sie richtig ausgeführt werden. Aus hygienischen Gründen sollte eine Flanschabdichtung mit O-Ring und metallischem Anschlag ähnlich DIN 11853 gewählt werden. Die Längenausdehnung vom Mantel und von den Rohren muss ebenso berücksichtigt werden, wie der Betrieb des Erhitzers bei Drücken unterhalb des Umgebungsdruckes. Bei üblichen Bierpasteurisierungstemperaturen ergibt sich im Mantel eines als dampfbeheizten Röhrenwärmeübertrager ausgeführten Erhitzers, ein Absolutdruck von ca. 0,4 bar, sodass das Kondensat mit geeigneten Pumpen abgesaugt werden muss. Auch eventuell im Mantel vorhandene Luft, die den Wärmeübergang behindern würde, muss abgesaugt werden.

Die Rohre werden heute meist automatisch eingeschweißt. Undichtigkeiten wie sie bei Handschweißungen oder den früher üblichen Einwalzverbindungen vorkamen, gehören praktisch der Vergangenheit an.

Auch wenn Mikrorisse in Plattenapparaten nicht verhindert werden können und eine Kontamination des Bieres durch Wärmeträger nicht ausgeschlossen werden kann, so ist dies trotzdem nicht gottgegeben. Mit entsprechenden Maßnahmen ist es möglich, die Rissbildung weitgehend zu verhindern, Risse zu entdecken und die Folgen durch die Risse zu minimieren.

 


© 2008 by Raimund Kalinowski