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Raimund Kalinowski

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Gasthofbrauerei

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Fehlt einem SUV mit einem Grundpreis von 10.490 Euro gegenüber einem Geländewagen für 25.000 Euro nur das Image als Statussymbol? Auch wer einen „Geländewagen“ mit einem Grundpreis von 10.490 wählt, will nicht nur „billig“, deshalb werden ihm Extras wie eine polierte Auspuffblende oder Räder aus Leichtmetall angeboten. Was beim „Grundmodell“ fehlt, steht in keiner Liste und wird bei keinem Test ermittelt. Bis ein solcher SUV zugelassen vor der Tür steht, hat er üblicherweise deutlich mehr gekostet, als die Werbung mit dem Grundmodell suggeriert. Und wer bei der Anschaffung auf sinnvolle Extras verzichtet hat, dem wird dies häufig nach einer gewissen Fahrstrecke bewusst. Ein Auto wird nicht nach rein rationalen Gesichtspunkten gekauft.

Von Ausnahmen abgesehen, will der der eine Gasthausbrauerei erwirbt damit Gewinne erzielen, d.h. die Wirtschaftlichkeit steht im Vordergrund. Die Abwertung und die Verzinsung des eingesetzten Kapitals sind in der Regel die größten Positionen der laufenden Kosten. Sollte aus diesem Grunde die Investition so niedrig wie möglich sein? Oder gilt die alte Weisheit: Wer billig kauft, kauft zweimal?

Lästige (Vor-)Planung
Auch wenn es den meisten Interessenten lästig ist, sollten sie zunächst einige grundsätzliche Überlegungen und Untersuchungen anstellen und ein Lastenheft erstellen, bevor sie mit Lieferanten sprechen und bevor sie sich Angebote einholen. Das Lastenheft muss nicht statisch sein, aber zu jedem Zeitpunkt des Projektes sollte schriftlich dokumentiert sein, was man von der Anlage erwartet.

Das gastronomische Konzept muss eine Einheit mit der maschinellen Ausrüstung bilden. Eine Anlage, die aussieht als ob gleich Hänsel und Gretel um die Ecke kommen wirkt anders, als eine Anlage, die hochglanzpoliert ist wie eine Christbaumkugel. Das Aussehen der Anlage wird jedoch erfahrungsgemäß überbewertet. Wenn das Budget begrenzt ist, sollte man sich überlegen, um wieviel besser und sparsamer ein Billig-SUV wohl mit Leichtmetallrädern oder verchromter Auspuffblende fährt.

Wieviel Bier wird in der Gaststätte verkauft werden? Wieviele Biersorten sind notwendig um das gastronomische Konzept umzusetzen. Wieviel zusätzlichen Umsatz bringt eine zusätzliche Biersorte und mit welcher Umsatzminderung ist zu rechnen, wenn man sich z.B. auf eine einzige Biersorte beschränkt? Wenn man nicht Lotteriebier erzeugen will, wo der Kunde zwar auf etwas wohlschmeckendes hofft, aber innerlich mit einer Niete rechnet, dann sollte die Reifungszeit einer Biersorte nicht zu stark schwanken. Aus Kostengründen wird häufig eine Gesamt-Tankbelegungszeit von 3 Wochen angenommen. Wenn man Rüst-, Reinigungs-, Befüll- und Entleerungszeiten abzieht und für Hauptgärung und Diacethylrast 8 bis 10 Tage ansetzt und wenn das Kühlen mehrere Tage benötigt, dann bleibt für die Reifung bei niedrigen Temperaturen ein Zeitraum von max. 1 Woche übrig. Ob ein Bier 3 Tage oder 3 Wochen kalt gelagert wurde erkennt auch ein durchschnittlicher Gaststättenbesucher. Die absolute Bierqualität ist hierbei sekundär, dass Ziel muss ein möglichst gleichmäßiges Erlebnis der angekündigten Biersorte sein. Daraus folgt, dass der Inhalt eines Tanks spätestens innerhalb von einer Woche zu verkaufen ist. Wenn sich in jedem Tank nur ein Sud befindet, sind die Investitionskosten höher, als bei der Belegung mit zwei oder drei Suden. Die Sudgröße wird üblicherweise so gewählt werden, dass je Biersorte pro Woche mindestens ein Sud gebraut werden wird.

Technische Ausstattung
Tiefkühl-Fertigpizza und Brotbackautomaten sind nicht die typischen Säulen einer erfolgreichen Gastronomie. Bei einer vernünftig ausgelegten Gaststättenbrauerei ist ein gelernter Brauerei zeitlich in der Lage sämtliche Arbeiten in hoher Qualität zu erledigen. Hierfür benötigt er weder eine Maischeautomatik noch irgendwelche automatischen Regler. Eine vollautomatische Gaststättenbrauerei die von einem Fachmann in Teilzeit betreut wird, ist nicht wirtschaftlich sinnvoll realisierbar.

Ein Aufhacker im Läuterbottich ist nicht zwingend erforderlich. Wenn die Zugänglichkeit entsprechend günstig gestaltet wird, kann problemlos mit einer Heugabel manuell aufgehackt werden. Sinnvollerweise entfällt auch der Kamin des Läuterbottichs.

Die Frage wieviele Gefäße man benötigt, ist nicht einfach zu beantworten. Im Sudhaus notwendig sind Maischebottichwürzepfanne und Läuterbottich. Wenn kein Whirlpool vorhanden ist, kann eines der beiden Sudgefäße die Aufgabe übernehmen. Da das Rührwerk der Pfanne stören würde, müsste es während der Whirlpoolfunktion entfernt werden. Eine hierfür gängige Konstruktion ist, es durch die Hohlwelle des Getriebemotors nach oben heraus zu ziehen. Den Läuterbottich als Whirlpool zu nutzen ist einfacher. Ein Heißwassertank wird häufig eingespart. Falls ein Whirlpool vorhanden ist, kann er zeitweise als Heißwassertank genutzt werden. Falls weder Whirlpool noch Heißwassertank vorhanden sind, kann das Anschwänzwasser in einem Gärtank gestapelt werden. Bedenken bezüglich der Hygiene und der Kontaminationsgefahr sind berechtigt. Ohne Heißwassertank wird bei jedem Sud Heißwasser ungenutzt in den Gulli fließen.

Nicht verzichtet werden sollte auf einen Senkboden aus Profildraht (Spaltsiebboden); ein einfaches gestanztes Lochblech zu verwenden, wäre so, als würde man den Billig-SUV mit Holzrädern ausrüsten. Ein gefräster Senkboden würde das Budget sprengen. Eine Läuter(differenz)druckanzeige entspricht seit mehr als 100 Jahren den anerkannten Regeln der Technik. Fachmännisch ausgeführt ist der Aufwand hierfür jedoch nicht unerheblich. Wenn es darum geht jeden Cent dreimal umzudrehen, könnte man statt der Läuter(differenz)druckanzeige erwägen nur den Saugdruck über eine Flüssigkeitssäule anzuzeigen. Diese Flüssigkeitssäule dient gleichzeitig als Anlagenschutz, denn wenn mit einer Pumpe unfachmännisch abgeläutert wird, kann ein so hoher Saugdruck entstehen, dass der Senkboden beschädigt wird.

Insbesondere wenn der Läuterbottich auch als Whirlpool verwendet wird, müssen der Senkboden und der Raum zwischen Senkboden und Läuterbottichboden nach jedem Sud gereinigt werden. Eine funktionierende Senkbodenausspritzung ist in der Gasthausbrauerei die Ausnahme, sodass zwischen den Suden der Senkboden aufgenommen wird.

Bei der Maischebottichwürzepfanne gibt es mehrere Problemkreise. Für das Maischen wird eine tiefliegende Heizzone benötigt, um auch kleinere Maischen aufheizen zu können. Würzepfannen mit tiefliegenden Heizzonen neigen zum Schäumen. Diese Tendenz wird erhöht, wenn ‑ wie in Gaststättenbrauereien üblich ‑ die Biere sehr schwach gehopft werden und zum Kochbeginn nur homöopathisch kleine Hopfenmengen der Würze zugegeben werden. Der Steigraum der Pfanne muss deshalb ausreichend groß bemessen werden. Wenn ein Lieferant 20 … 25 … oder 30% Steigraum nennt, sollte er eigentlich vom Hof gejagt werden. Entscheidender als ein prozentualer Steigraum ist der Steigraum in Dezimetern.

Eine Überkochsicherung ist ein absolutes Muss. Wenn jemand verletzt wird, weil keine funktionsfähige Überkochsicherung installiert war, sollte man nicht auf einen milden Richter hoffen. Aufheizzeiten, Verdampfungsmengen (statt prozentualer Verdampfungsraten) und die Einhaltung örtlicher Vorschriften sind schnell formuliert und überprüft. Die Größe der Heizfläche und die Gleichmäßigkeit der Wärmeverteilung zu definieren verlangt bereits etwas mehr Aufwand. Insbesondere sollte vertraglich vereinbart werden, wie die Gleichmäßigkeit der Wärmeverteilung in der Pfanne geprüft werden soll. Übliche Elektroheizungen sind bei Sudgrößen ab etwa 5 hl unbrauchbar. Eine sinnvoll ausgelegte Elektroheizung ist zwar grundsätzlich möglich, aber nicht mehr ganz billig. Mit einer Direktbeheizung wären die Anforderungen grundsätzlich erfüllbar. Es gibt kaum noch Feuerungsbauer die eine Pfannenheizung bauen könnten. Aus Kostengründen werden die Feuerungen häufig im Widerspruch zu geltenden Lehrbuchmeinungen konzipiert. Die Abnahme durch die örtlich zuständige Stelle ist bei solchen Lösungen manchmal schwierig bis unmöglich. Vor über 100 Jahren zog die Dampfbeheizung in den Brauereialltag ein. Wenn es finanziell irgendwie darstellbar ist, sollte eine Dampfheizung gewählt werden. Sicherlich kann auch eine dampfbeheizte Pfanne falsch ausgeführt werden, aber die erforderlichen technischen Grundlagen sind einfacher verfügbar.

Falls eine Schleppluftkochung unvermeidbar ist, um ein Überkochen zu verhindern, sollte bedacht werden, dass Luft bei einer Brüdenkondensation stört; d.h. eine Brüdenkondensation muss entsprechen groß ausgelegt werden.

Verschollenes Wissen?
Zahlreiche Details werden ungünstig ausgeführt, obwohl eine bessere Lösung nicht teurer wäre. Wenn eine Pfanne scheinbar mehrere Grad nachheizt liegt es regelmäßig nicht an der Materialstärke der Heizzone, sondern an der Wahl und Ausführung des Temperaturaufnehmers. Ein handelsübliches PT-100 mit viel Wärmeleitpaste in eine Einschweißtauchhülse zu schrauben, scheint eine übliche Vorgehensweise zu sein. Diese Konstruktion ist nicht nur sehr träge, sondern meistens auch zu hoch installiert, um kleine Maischemengen zu erfassen.

Wenn Bestimmungsgemäß zwei Ströme zusammen fließen, wie dies z.B. bei der Würzebelüftung oder beim Mischen von Kalt- und Warmwasser der Fall ist, dann ist durch Rückschlagventile sicherzustellen, dass nicht das Medium mit dem höheren Druck in die Leitung mit dem geringeren Druck fließen kann. Ein festverrohrtes Gullisystem benötigt keine Rückschlagklappen sondern eine Entkoppelung.

T-Stücke lassen sich bei einem begrenzten Budget zwar nicht vermeiden, aber sicherlich in der Anzahl reduzieren. Eine Vermischungssicherheit kann preiswert durch Koppelbögen oder eine block and bleed Anordnung erreicht werden. Gleichgültig wie die Anlage ausgeführt wird, müssen sämtliche Rohrleitungen CIP-fähig sein, dazu gehört, dass CIP-Ströme nicht aufgeteilt werden, da hierdurch im günstigsten Falle sehr große Mischphasen entstehen aber es wahrscheinlicher ist, dass bestimmte Bereiche nicht freigespült werden (können).

Ein direkter Anschluss an das öffentliche Trinkwassernetz ist in der Regel nicht zulässig. Wenn die Druckseite einer Pumpe mit dem Trinkwassernetz durch entsprechende Ventilschaltungen verbunden werden kann und wenn die Nullförderhöhe dieser Pumpe höher ist, als der minimale Druck im öffentlichen Trinkwassernetz, muss damit gerechnet werden, dass man das öffentliche Trinkwassernetz kontaminieren kann.

Inzwischen sollte bekannt sein, dass ein richtig ausgelegter 2-stufiger Würzekühler bei einer Neuinstallation immer die wirtschaftlichere Lösung gegenüber einem 1-stufigen ist.

Bei vielen Anbietern endet die Detailplanung am Auslauf des Würzekühlers. Ab hier werden eine fahrbare Pumpe und Schläuche vorgesehen. Eine einfache Festverrohrung ist auf Dauer wirtschaftlicher und deutlich sicherer. Von Ausnahmen abgesehen werden ein ölfreier Druckluftkompressor und entweder ein Eisspeicher oder ein Kaltwassersatz für die Kühlung geliefert. Um ausreichend niedrige Reifungstemperaturen zu erreichen, sind entweder ein klassischer Lagerkeller mit Raumkühlung oder Zusätze zum Wasser erforderlich. Die Kosten hierfür sind meistens nicht im Lieferumfang enthalten.

Fazit
Kaum ein Billig-SUV steht zum „ab“-Preis fahrbereit vor der Haustür des Besitzers. Auch bei Gasthausbrauereien werden „Extras“ angeboten, die häufig wenig sinnvoll sind.

Der wirtschaftliche Erfolg einer Gaststättenbrauerei hängt maßgeblich davon ab, dass die Investitionskosten niedrig sind.

So wie beim Autokauf Überführungs- und Zulassungskosten im Werbepreis nicht eingeschlossen sind, sollten bauseitige Leistungen, vom Schornstein über Wasserleitungen bis hin zum Glykol stets berücksichtigt werden.

Statt glänzende Oberflächen oder eine Maischeautomatik zu bestellen, sollte man erwägen die Betriebssicherheit und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Ein Warmwassertank ist ebensowenig Luxus, wie eine stressfrei zu betreibende Beheizung der Pfanne.

Bei einigen Betrachtungen muss man sich von der Großtechnik lösen. Eine Läuter(differenz)druckanzeige ist z.B. wichtiger als ein Aufhacker.

Eine Gefährdungsbeurteilung muss vom zukünftigen Betreiber der Anlage durchgeführt und dokumentiert werden. Diese sollte nicht beim Lieferanten der maschinellen Ausrüstung mitbestellt werden, sondern sorgfältig vor einer Bestellung statt finden.

Übrigens wird an der Wolga seit über 35 Jahren ein sehr preiswerter ernstzunehmender Geländewagen gebaut; aber offensichtlich fehlt es ihm an Image.

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