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Raimund Kalinowski

Unternehmensberatung und Sachverständigenbüro

 
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Schmierstofffragen

Der Hersteller einer Maschine wird sich mit ihr vermutlich am besten auskennen und in der mitgelieferten Dokumentation die Wartung und die optimalen Hilfs- und Betriebsstoffe definieren, die zu verwenden sind?

Bei der Wahl von z.B. Bandschmiermitteln wird man von der Herstellerempfehlung eher abweichen, als beim Öl für die Gasturbine der Kraftwärmekopplung.

Gibt es Parallelen bei den Eigenschaften von Bandschmiermitteln und den Anforderungen von Getriebe-, Kompressor- oder Motorölen?

Wenn ein (Maschinen-)Hersteller besonders lange Wartungsintervalle oder einen besonders geringeren Energieverbrauch auslobt, ist dann der Wettbewerber nicht in Versuchung, dieses möglichst zu übertrumpfen, auch wenn diese (Marketing-)Vorteile durch erhebliche Nachteile für den Betreiber erkauft werden müssen?

Werden Wartunganleitungen auch für die Maschinen gepflegt, die sich bereits im Markt befinden? Werden Erkenntnisse z.B. über neue Schmierstoffe dem Betreiber einer Maschine mitgeteilt? Hat der Betreiber möglicherweise sogar einen Rechtsanspruch darauf oder sollte er den Hersteller im Kaufvertrag verpflichten entsprechende Anweisungen während der gesamten Maschinenlebensdauer regelmäßig kostenfrei zu aktualisieren?

Wie entsteht die Wartungsanleitung?

Im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG § 39 Abs. 1 Nr. 2 ) steht: „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig […] entgegen § 3 Absatz 4 eine Gebrauchsanleitung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig mitliefert“; im dort zitierten § 3 Absatz 4 wird spezifiziert: „Sind bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten, ist bei der Bereitstellung auf dem Markt hierfür eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache mitzuliefern, […]“. Wie so oft, lässt der Gesetzgeber durch die Verwendung des Wortes „Sicherheit“ einen Interpretationsspielraum; ist hier auch Betriebssicherheit gemeint oder nur Personen- und Sachschutz? In der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG wird 69 mal der Wortbestandteil „-anleitung“ verwendet. Aber auch hier geht es primär um „Sicherheit“.

Statt sinnvoller Informationen hat man regelmäßig den Eindruck, dass der Hersteller sich primär gegen alle realen und fiktiven Risiken absichern möchte. Amerikanische Filmproduktionen scheinen die Texter von Anleitungen zu inspirieren. In der Betriebsanleitung einer geeichten Waage eines bedeutenden deutschen Herstellers steht z.B.: „Beim Auftreten von elektromagnetischen Feldern ( z.B. durch Mobiltelefone […] sind große Anzeigeabweichungen (falsche Wägeergebnisse) möglich.“ Es darf bezweifelt werden, dass die PTB im Rahmen einer Baumusterprüfung die Eichfähigkeit bescheinigt hätte, wenn ein Handy in der Nähe der Waage zu falschen Anzeige-Ergebnissen führt. Aber wer entscheidet was inhaltlich in der Anleitung steht? Wer legt fest welche Schmiermittel zu verwenden sind? Ist eine Empfehlung tatsächlich als Empfehlung gemeint oder ist sie als Vorschrift zu verstehen, da man mit Nachteilen (im Schadensfall) rechnen muss, wenn man davon abweicht? Wie wird ein Hersteller auf eine Mängelrüge reagieren, wenn er mit maximaler Kreativität in der Anleitung beschrieben hat, dass der Kunde grundsätzlich an einem Schaden schuld ist? Sind die in der Anleitung vorgeschriebenen Betriebsbedingungen real überhaupt möglich? Wenn es im Falle eines Schadens sowieso zum (gerichtlichen) Streit kommen wird, warum sollte man dann die Schmiermittelvorschriften des Herstellers sklavisch beachten und nicht den eigenen Sachverstand nutzen?

Je nach Größe und Art des Lieferanten kann es sein, dass ein Konstrukteur aus persönlicher Erfahrung Schmiermittel vorschreibt oder empfiehlt. Angaben können auch auf Grundlage von Versuchen entstehen. Wenn interdisziplinär, Kaufleute, Konstrukteure, Schmiermittelentwickler, Vertrieb-/Marketingfachleute, Logistiker etc. zusammen arbeiten, sollte man ein optimales Ergebnis erwarten. Aber für wen wird es optimal sein, für den Kunden oder für den Verkäufer? Besteht irgendeine Motivation die einmal verfasste Anleitung zu aktualisieren? Da eine Aktualisierung mit erheblichen Kosten verbunden ist, wird man sie vermutlich nur durchführen, wenn es hierfür wichtige Gründe gibt oder wenn der Vertrieb regelmäßige Aktualisierungen als Marketinginstrument versteht.

Aufgaben des Schmiermittels

Schmiermittel werden in der Regel eingesetzt, um die Reibung möglichst weit zu reduzieren. Aber es gibt auch Ausnahmen. Ein Schneidöl für die spanende Fertigung z.B. muss erlauben, dass die Schneide einen Span erzeugen kann und sollte nicht über das Werkstück „verschleißfrei“ hinweg gleiten. Die Kühlung von Schneide und Werkstück sind besonders wichtige Eigenschaften des Kühlschmiermittels.

Beim Bandschmiermittel kann die Wirkung beobachtet werden. Technisch ist es möglich eine Abfüllanlage zu bauen, die keinerlei Bandschmierung benötigt. In der Praxis bestimmt hingegen die kritischste Stelle der gesamten Anlage mit welchem Mittel in welcher Konzentration alle Bänder geschmiert werden; nur die Dosiermenge an den verschiedenen Anwendungsstellen variiert. Wenn man die kritischste Stelle der Anlage konstruktiv entschärfen würde, ließe sich eine Anforderung an das Bandschmiermittel reduzieren. Dies ist aber eine theoretische Betrachtung, denn in der Praxis wird viel zu selten überprüft, ob mehr bzw. teurer geschmiert wird, als nötig. Die üblichen Anforderungen, wie die Mischbarkeit mit Wasser, die Umwelt-/Abwasserverträglichkeit oder die Minimierung gesundheitlicher Gefahren sollten allgemein bekannt sein. Wurde bei der Festlegung des Prozesses berücksichtigt, dass vollentsalztes Wasser zum Verdünnen des Bandschmiermittels eingesetzt wird? Wie häufig wird der Prozess überprüft? Warum findet man auch heute noch Dosierstellen, die das Bandschmiermittel durch feine Düsen pressen, sodass ein wesentlicher Teil des Bandschmiermittels nicht auf den Bändern, sondern auf den Schleimhäuten der Mitarbeiter landet?

Risiken bewusst?

Das Bandschmiermittel soll mikrobiologisches Wachstum hemmen und eine Reinigung der Bänder nicht behindern. Dass es nicht korrosiv sein darf, versteht sich eigentlich von selbst. Nach Möglichkeit sollte es mit anderen Materialien überhaupt nicht reagieren? Dass Bandschmiermittel am Boden des Getränkebehälters verbleibt, wird gerne ausgeblendet. Wenn jemand im Garten aus der mit Tau bedeckten Flasche trinkt, wird Bandschmiermittel auf seine Hand gelangen; wenn er nun mit dieser Hand Nahrung zum Mund führt, wird er auch Bandschmiermittel zu sich nehmen. Sind diese aufgenommenen Mengen immer unbedenklich?

Vor einigen Jahren hat der Hersteller eines Dosenverkaufsautomaten ‑ mit neuartigen Führungen aus Kunststoff ‑ diesen ausführlich testen lassen, bevor er ihn in den Markt einführte. Zeitgleich mit der Markteinführung des Verkaufsautomaten wurde ein neues Bandschmiermittel eingesetzt. Dass das Bandschmiermittel mit den Kunststoff­führungen chemisch reagiert, hatte niemand erwartet. Da die entstehenden Dämpfe kaum aus dem Automaten entweichen konnten, kondensierten sie auch auf der Dosenoberfläche und insbesondere Personen, die direkt aus der Dose tranken, nahmen so viel dieser Reaktionsprodukte auf, dass sie wegen erheblicher Gesundheitsbeschwerden ärztlich behandelt werden mussten. Der Öffentlichkeit wurde natürlich ein viel leichter zu verstehender und deshalb „glaubwürdigerer“ Fehler präsentiert, um diskussionslos glaubhaft machen zu können, dass ein solcher Fehler niemals wieder auftreten wird.

Ölwechsel sinnvoll?

Getriebe werden seit vielen Jahren mit einer lebenslangen Ölfüllung geliefert. Für die allermeisten Betriebsbedingungen ist diese Ölfüllung vollkommen ausreichend. Mercedes Benz hat auf Grund dieser Erfahrung z.B. das NAG1 Getriebe (722.6) so konstruiert, dass die Möglichkeit entfallen ist, einen Ölwechsel durchzuführen. Inzwischen gibt es weltweit zahlreiche Lösungen das Getriebeöl durch eine Spülung zu wechseln, da offensichtlich die tatsächlichen Betriebsbedingungen von den angenommenen abweichen können und es gelegentlich zu Schäden am NAG1 bereits bei Laufleistungen um 200.000 km (~ 3.000 Betriebsstunden) gekommen ist.

Ist es deshalb möglicherweise sinnvoll auch bei Industrie-Getriebemotoren das Öl zu wechseln? Ein Wechsel des Öls würde Sinn machen, wenn die Eigenschaften des Öls sich über die Betriebszeit so verschlechtern würden, dass es dadurch zu Schäden kommen kann oder wenn durch das neue Schmiermittel die Betriebskosten soweit sinken, dass sich der Ölwechsel durch die geringeren Betriebskosten bezahlt macht.

Für einige Anwendungen bestellt der Endkunde oder der Anlagenbauer eine Ölfüllung nach H1 der NSF (National Sanitation Foundation) bzw. gem. Richtlinie 21 CFR 178.3570 der Food and Drug Administration (FDA). Vollsynthetische Öle auf Basis von Polyalphaolefinen (PAO) können den vorgenannten Richtlinien entsprechen.

Inzwischen sind Getriebe im Einsatz, die vor über 30 Jahren mit einer lebenslangen Ölfüllung in Betrieb genommen wurden. Aus Sicht der Hersteller wird jeder Kunde bei einem Ausfall des Getriebes akzeptieren, dass nach dieser Zeit das Lebensende erreicht war. Niemand wird sich ernsthaft die Frage stellen, ob ein Ölwechsel vor 10 Jahren die Lebensdauer um z.B. 20 Jahre verlängert hätte; aber ist diese Frage wirklich so unsinnig? Diese Frage kann man natürlich nur beantworten, wenn man den Schaden analysiert.

Reserven richtig eingeschätzt?

Für Verbrennungsmotoren werden „Voodoo“-Filter angeboten, und Nutzer dieser Filter in PKW berichten von 200.000 km ohne Motor-Ölwechsel. Dieser Filter kann aber eigentlich nur eine Eigenschaft des Öls, die Schmutz-Aufnahmefähigkeit verlängern. Bei großen stationären Motoren oder bei Schiffs-Antrieben wird niemand das Öl nach einer bestimmten Zeit oder Laufleistung wechseln, sondern diese Entscheidung auf Grundlage einer chemisch-technischen Analyse treffen. Die Betriebszeiten, die hier erreicht werden, sind in der Regel gigantisch hoch, so dass ein PKW, der 200.000 km keinen Ölwechsel benötigte, nicht beeindruckt. Polpulärwissenschaftliche Aussagen mit den „Vorwörtern“ „kann“ oder „bis zu“ über den Verschleiß bei ungünstigen Betriebsbedingungen basieren in der Regel auf „vorzeitlichen“ und wenig belastbaren „Studien“. Seit vielen Jahren werden Schmiermittel eingesetzt, die Additive enthalten. Neben der Aufnahme von Schmutz, können Schmieröle in der Regel auch etwas Feuchtigkeit vertragen, nach DIN 51599 wird das Demulgierverhalten geprüft, d.h. die Eigenschaft mit Wasser keine Emulsion zu bilden. Die Bildung einer mayonnaiseartigen Substanz im Deckel des Öleinfüllstutzens, die Gebrauchtwagentester im Fernsehen messerscharf auf eine defekte Zylinderkopfdichtung oder Kurzstreckenverkehr schließen lassen, sollte bei zeitgemäßen Schmierstoffen weitgehend verhindert werden.

Die Grundöle selbst altern kaum, sofern sie nicht z.B. durch extrem hohe Temperaturen oder durch mikrobiologischen Befall „angegriffen“ werden. Da Mikroorganismen auch Wasser zum wachsen benötigen, ist ihr Wachstum im Getriebe-, Motor- oder Kompressoröl eher selten anzutreffen. Bei einer mechanischen Überbeanspruchung (eines für den Anwendungsfall ungeeigneten) Schmiermittels können lange Moleküle der Additive zerteilt werden.

Die Viskosität ist ein Merkmal, das häufig falsch interpretiert wird. Moderne Schmiermittel enthalten Additive, die sie zu Nicht-Newton-Flüssigkeiten machen. Wenn bei steigender Schergeschwindigkeit die Viskosität sinkt, bezeichnet man dies als strukturviskos oder scherverdünnend. Jeder kennt dies vom Ketchup, der durch das „Additiv“ Xanthan durch schütteln fließfähig wird. Diese Eigenschaft ist bei Schmiermitteln für Maschinen eher unerwünscht. Deshalb werden in der Regel scherverzähende Additive eingesetzt, d.h. bei zunehmenden Scherkräften nimmt auch die Viskosität zu. Nun soll bei sehr niedrigen Temperaturen, wie man sie z.B. bei Getriebemotoren, die im Freien an Annahmeförderen installiert sind, antrifft, die Viskosität weder zu stark ansteigen noch bei hohen Temperaturen zu weit absinken, sodass durch Additive im Schmiermittel die Viskosität bei allen vorgesehenen Betriebsbedingungen im Rahmen bleibt, sodass eine ausreichende Schmierung immer stattfinden kann.

Fazit

Eigenschaften wie Schaumverhalten, Verschleißschutz, Korrosivität (z.B. beim Kontakt mit lackierten Bauteilen, Fußbodenbelägen oder Edelstahl rostfrei), Umweltverträglichkeit, Geruch oder gesundheitliche Einflüsse sind bei allen Schmiermitteln vom Bandschmiermittel über Getriebe- und Kompressoröl bis hin zum Öl für Verbrennungskraftmaschinen wichtige Eigenschaften. Die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter Dämpfe vom Öl des Kältekompressors einatmen ist geringer, als bei Aerosolen des Bandschmiermittels.

Da auch lebensmittelrechtlich zugelassene Schmiermittel nach H1-NSF im Produkt nichts zu suchen haben, ist die Frage der Nachweisbarkeit im Produkt nicht unerheblich. Die Alterungsbeständigkeit ist insbesondere bei lebenslangen Schmiermittelfüllungen und bei unüblichen Betriebsbedingungen von Interesse.

Die Herstellerangaben sind in der Regel sehr konservativ. Schmiermittelvorschriften schreiben meist ‑ auch bei ungünstigen Betriebsbedingungen ‑ einen zu frühzeitigen Wechsel des Schmiermittels vor. Wenn es wirtschaftlich vertretbar ist, sollte vor einem Schmiermittel-Wechsel eine Chemisch-Technische-Analyse durchgeführt werden.

Auch wenn es modernere und bessere Schmiermittel auf dem Markt gibt, sollte eine Abweichung von der Herstellervorschrift nur erwogen werden, wenn ein namhafter Schmiermittelhersteller einen hierbei verantwortungsbewusst begleitet und die in Aussicht gestellten Vorteile gegenüber den Risiken überwiegen.

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