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Raimund Kalinowski

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30 Sekunden?

Auslegung einer KZE für optimale Produktqualität unter Berücksichtigung der Betriebskosten

Moderne“ heute eingesetzte Kurzzeiterhitzungsanlagen [KZE], die im Durchfluss eine Flüssigkeit pasteurisieren, entsprechen üblicherweise den allgemein anerkannten Regeln der Technik, dies ist eine Stufe unter dem Stand der Technik und zwei Stufen unter dem Stand von Wissenschaft und Technik.

KZE haben einen erheblichen Einfluss auf die Produktqualität, denn neben der Verhinderung des Verderbs durch biologisches Wachstum, können sie den Geschmack und die geschmackliche Alterung deutlich beeinflussen.

Höhere Investitionskosten reduzieren häufig nicht die Betriebskosten, obwohl die Zusammenhänge bekannt sind, bleiben sie regelmäßig unbeachtet und Investitions- und Betriebskosten sind häufig höher als dies aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist. Ein sehr hoher Wärmerückgewinn macht zudem den Prozess schwieriger steuerbar.

Ideale ./. reale Betriebsbedingungen

KZEDurch die Vergrößerung der Rekuperationsabteilung sinken die Temperaturdifferenzen und somit auch der notwendige Energieeinsatz zum Erhitzen und zum Kühlen. Somit würden die Betriebskosten direktproportional zur vergrößerten Wärmeübertragungsfläche sinken, wenn die KZE unendlich lange ununterbrochen betrieben werden würde. Im realen Betrieb wird jedoch die KZE auch gereinigt, sterilisiert, an- und abgefahren oder zwischendurch ausgeschoben.

Ein höherer Wärmerückgewinn bedeutet auch mehr Wärmeübertragungsfläche, die durch zusätzliche Wärmeübertragungsplatten erzielt wird; diese müssen bei der Sterilisation erwärmt und abgekühlt werden und gleichzeitig entsteht ein höheres Füll-Volumen, sodass größere Mischzonen beim An- und Abfahren oder beim Wechseln der Reinigungsflüssigkeiten entstehen. Wenn der Druckverlust bei einem höheren Wärmerückgewinn nicht ansteigen soll, muss die Wärmeübertragungsfläche überproportional zum zusätzlichen Wärmerückgewinn ansteigen. Ähnlich einer Mehrwegflasche, die erst nach einigen Umläufen in der Energiebilanz mit einer Einwegverpackung gleichziehen kann, muss die KZE mit größerer Rekuperation länger ununterbrochen in Betrieb sein, um den höheren Energie- und Reinigungsaufwand durch die höhere Energieeinsparung während des Betriebs kompensieren zu können.

Eine sehr große Rekuperation macht das System träger, sodass nicht nur Temperaturänderungen während des normalen Betriebs sondern auch bei der Reinigung/Sterilisation bzw. beim Abkühlen länger dauern.

Wie lang ist die Heißhaltezeit tatsächlich?

Üblicherweise wird der Heißhalter für eine Heißhaltezeit von 30 Sekunden bei Nennleistung verkauft. Manchmal ist die Nennleistung identisch mit der maximalen Leistung, häufig ist die maximale Leistung jedoch etwa 20% höher als die Nennleistung, da die Nennleistung am Puffertankaustritt gemessen wird und eine Mehrleistung erforderlich ist, um ggf. einen gesunkenen Puffertankspiegel wieder auszugleichen. Sehr häufig entspricht die tatsächliche Heißhaltezeit nicht der Herstellerangabe, wobei zu lange Heißhaltezeiten in der Praxis häufiger vorkommen als zu kurze. Abweichungen von mehr als 10% sind hierbei die Regel. Wenn die Rekuperation größer wird, wird die wirksame Heißhaltezeit verlängert, da die Heißhaltezeit üblicherweise ab Austritt Erhitzerabteil bis Eintritt Rekuperationsabteil gemessen wird und die Temperaturerhöhung und -absenkung innerhalb der Wärmeübertrager vollkommen unberücksichtigt bleibt.

Warum werden aber die 30 Sekunden Heißhaltezeit gewählt? Es gibt Kunden die die 30 Sekunden vorgeben, vermutlich da dies so in Lehrbüchern steht oder seit vielen Jahren üblich ist. Die meisten Kunden denken nicht über die Heißhaltezeit nach und akzeptieren das, was alle machen, der Lieferant ihnen empfiehlt oder das was dann tatsächlich installiert wurde, sofern es mindestens so viel ist, wie in der Auftragsbestätigung steht. Auf dem Wochenmarkt mag man sich freuen, wenn ohne Berechnung noch drei Zwiebeln in die Tüte wandern, aber ist dies auch bei der Heißhaltezeit richtig? Wenn eine bestimmte Anzahl von Pasteurisier-Einheiten [PE] vorgewählt werden, wie werden sie von der Steuerung berechnet, wieviele bekommt man wirklich, ist ein höherer Wert hier tatsächlich mehr wert; aber warum stellt man dann nicht einen höheren Wert ein wenn man eigentlich mehr haben will oder sind das gar keine PE die man dort einstellt? Vielleicht ist das, was man einstellt einfach nur eine dimensionslose Zahl, etwa so wie bei einer Autoklimaanlage, wo man denkt man stelle eine Temperatur ein und dann feststellt, dass die Zahlen nur einen groben Hinweischarakter haben.

Die heute übliche Ausführung der KZE wird bereits seit über 50 Jahren nahezu unverändert eingesetzt. Nun kann es natürlich sein, dass die damals gewählte Anordnung schlicht und einfach genial ist oder wurde sie primär so gewählt, um technische Unzulänglichkeiten auszugleichen?

Maschinen- nicht prozessorientiert?

Die Heißhaltezeit von 30 Sekunden wird nach vorherrschender Meinung primär gewählt, damit unvermeidbare Regelabweichungen eine möglichst geringe Auswirkung auf das Ergebnis haben. Eine Abweichung in der Temperatur verändert jedoch das Pasteurisierergebnis immer gleich und zwar praktisch unbeeinflusst von der Heißhaltezeit, eine Abweichung von ±1K bedeutet bei eingestellten 22 PE eine Schwankung zwischen 16 und 31 PE und zwar gleichgültig ob die Heißhaltezeit 1, 30 oder 60 Sekunden und die dazugehörigen Soll-Temperaturen 81,7; 71,4 oder 69,3°C betragen.

Die Veränderung der Heißhaltezeit geht bei konstanter Temperatur direkt-proportional in die Anzahl der PE ein.

Welchen Sinn haben dann aber die Heißhaltezeit von gewollten 30 Sekunden oder der Sekundärkreislauf mit Warmwasser? Falls die Temperatur niedrig und die Heißhaltezeit bei konstanter Temperatur hoch genug gewählt werden, kann der Pasteurisiereffekt beim Aufheizen und Abkühlen ungestrafter vernachlässigt werden, als bei kurzer Heißhaltezeit und hoher Temperatur. Vor 50 Jahren war dies sicherlich ein nachvollziehbares Argument, da es damals schwierig war, die PE innerhalb der Erwärmung und Abkühlung mit vertretbarem Aufwand zu berechnen, aber seit über 30 Jahren werden in Brauereien und Getränkebetrieben speicherprogrammierbare Steuerungen eingesetzt, die in der Lage wären, die notwendigen Berechnungen durchzuführen. Warum die vorhandenen Möglichkeiten nicht genutzt werden, erscheint rätselhaft.

Für den Laien mag es an ein Wunder grenzen, dass 60-grädiges Badewasser viel zu heiß ist und eine 60-grädige Sauna als kalt empfunden wird. Auch die Tatsache, das man bei entsprechend geeignetem Kochgeschirr Erbsensuppe auf einem Gasherd mit tausendgradheißer Flamme ebenso wie auf einem „kalten“ Induktionsherd kochen kann, ohne das die Erbsensuppe anbrennt, verwundert den Fachmann kaum. Energiegehalt, Grenzflächentemperaturen und andere thermodynamische Kenntnisse bekommt der Ingenieur im Grundstudium vermittelt. Warum diese Kenntnisse bei der KZE nicht angewendet werden und in der Regel ein wasserbeheizter Sekundärkreislauf zum Einsatz kommt, ist unerklärlich.

Um Rekuperation, Erhitzer und Kühler mit gleichgroßen Platten auf einem Gestell ausführen zu können, wird akzeptiert, dass Erhitzer und Kühler größer ausgeführt werden, als es thermodynamisch und prozesstechnisch sinnvoll ist. Hierdurch erhöhen sich die Betriebskosten ohne einen verfahrenstechnischen Vorteil zu bieten.

Ideale Auslegung einer KZE

Statt eines prozentualen Wärmerückgewinns sollte einer Temperaturdifferenz zwischen dem Austritt der Rekuperation und dem Wiedereintritt der Rekuperation vereinbart werden. Dieser Wert ist eindeutig und durch eine einfache Subtraktion berechenbar. Eine prozentuale Angabe des Wärmerückgewinns ist ein rechnerischer Wert, der von den Bezugstemperaturen abhängt, da diese Angabe keinerlei Vorteile gegenüber der praktisch direkt ablesbaren Temperaturen bietet, sollte sie nicht Vertragsbestandteil sein.

Zur Berechnung der zu erwartenden Betriebskosten und Wahl der optimalen Größe der Rekuperationsabteilung müssen das Gewicht der Platten und das Füllvolumen bekannt sein. In der Regel ist es sinnvoll die Rekuperation, den Erhitzer und den Kühler getrennt zu betrachten. Die Vorteile eines gemeinsamen Gestells für die drei Funktionen sind sehr gering, in der Regel überwiegen die Nachteile deutlich. Der Sekundärkreislauf für den Erhitzer entfällt bei einer KZE nach dem Stand der Technik ersatzlos. Die Grenzflächentemperatur darf aber trotzdem auf keinen Fall höher ausfallen, als sie bei Einsatz eines Sekundärkreislaufs gewesen wäre. Der Erhitzer wird bevorzugt als Bündelrohr ausgeführt und mit Sattdampf betrieben. Die Pasteurisiertemperatur wird so hoch gewählt, dass der Heißhalter komplett entfällt. Der Kühler wird aus energetischen Gründen bevorzugt als Bündelrohr mit NH3-Direktverdampfung installiert. Die Steuerung sollte dem Stand der Technik entsprechen und muss in der Lage sein die PE während der Erhitzung und Abkühlung nicht nur genau zu berechnen sondern auch genau zu steuern.

Fazit

Je nach Chargengröße ist häufig eine Temperaturdifferenz zwischen 3 und 4K am wirtschaftlichsten, wenn die Chargen besonders klein sind oder wenn häufig ausgeschoben werden muss, kann auch ein ΔT von 6K wirtschaftlich sinnvoll sein.

Aus kaum erklärlichen Gründen weigern sich die meisten Lieferanten eine KZE nach dem Stand der Technik zu bauen, d.h. ohne Konstanttemperatur-Heißhalter, mit dampfbeheiztem Erhitzer und einer Steuerung, die die PE während des Erhitzens und Abkühlens präzise berechnet und regelt. Die hiergegen vorgebrachten Argumente spiegeln häufig das Unvermögen des Lieferanten wider. Aber sollte man sich deshalb mit einer Technik zufrieden geben, die aus einer Zeit stammt, in der es weder Farbfernseher noch Transistorradios gab und Atomkraftwerke noch nicht am Netz waren?

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© 2011 by Raimund Kalinowski