Eine Steuerung wird häufig als  Bestandteil einer Gesamtanlage bestellt. Nachfolgend soll dieser  Anwendungsfall die Grundlage der Betrachtungen sein. Da man in diesem  Fall nur einen Ansprechpartner hat, geht man davon aus, dass auch die  Informationen beim Anlagen-Lieferanten verfügbar sind, die man bei  einem Lieferanten, der nur für die Steuerung zuständig wäre,  definieren würde. D.h. die Anforderung des Kunden (das Lastenheft)  unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Gewerken, diese  Koordinierungs-Arbeit ist ausschließlich Aufgabe des  Anlagen-Lieferanten.
                  Nicht ausreichend  definiert
                    In Verträgen wird sehr häufig der Hersteller  bestimmter Hardwarekomponenten vereinbart. Manchmal werden auch  Serien oder sogar Typen von z.B. speicherprogrammierbaren Steuerungen  oder Frequenzumformern definiert. Relativ selten werden die Bauteile  detailliert inkl. Optionen spezifiziert.
                  Anforderungen (Lastenheft) und  Lösungen (Pflichtenheft) werden hierbei sehr häufig miteinander  vermischt. Äußerst selten wird nach den eigenen Bedürfnissen  geforscht. Wenn man ein Bauteil spezifiziert hat und sich später  herausstellt, dass es nicht die erforderliche Funktion mitbringt, ist  man dann dafür verantwortlich, dass die Anlage nicht  bestimmungsgemäß funktionieren kann?
                  Da sich Sachverständige und  Gerichte nicht einmal darüber einig sind, wie z.B. der Stand der  Technik definiert wird, macht es wenig Sinn solche Klauseln zu  verwenden, wenn man nicht spezifiziert, wie sie verstanden werden  sollen. Der Verweis auf das Handbuch der Rechtsförmlichkeit  (http://hdr.bmj.de/swverz_s.html 4.5 Abs. 252 ff) wäre eine  Möglichkeit die Klauseln zu definieren.
                  Gerade im Steuerungsbereich  kommt es häufig zu Streitfällen, denn es ist praktisch unmöglich,  die erwartete und bestellte Leistung annähernd vollständig und  eindeutig vertraglich zu definieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass  man resignieren muss, sondern dass man bekannte Fehlerquellen  ausschalten sollte.
                  Adjektive erschweren im  Allgemeinen die Lesbarkeit und sollen in Romanen die Phantasie  anregen. Deshalb verwendet man in technischen Beschreibungen und in  Nachrichten üblicherweise keine Adjektive. Einige Steuerungsleute  haben sehr viel Phantasie und glauben, dass fehlende Adjektive  bedeuten, dass man an der „fehlenden“ Stelle ein beliebiges  Adjektiv einfügen könnte. Wenn man statt „der blaue Himmel“ nur  der Himmel schreiben würde, würde die überwiegende Anzahl der  Leser sich einen blauen Himmel, evtl. mit Wolken vorstellen. Statt  blau könnte der Himmel natürlich auch grau, pechschwarz, rot oder  gar zimtfarben sein.
                  Wer ein Gemälde mit einer  Heidelandschaft, Schafen und Himmel bestellt, erwartet im Allgemeinen  nicht, dass er ein schwarz lackiertes Stück Leinwand erhält, das  die Landschaft in einer mondlosen, stockfinsteren Nacht zeigt. Wer  nun vor Gericht ziehen würde, müsste beweisen, dass der Maler hier  nicht nur seine künstlerische Freiheit genutzt hat, sondern dass  etwas anderes bestellt und geschuldet war. Auch der Beweis, dass das  Ergebnis nicht dem Kaufpreis entspricht, würde schwer zu erbringen  sein. Hätte er eine blühende Heidelandschaft mit Schönwetterwolken  am hellblauen Himmel bestellt, hätte er zwar keine schwarze Leinwand  erhalten, aber ob das Ergebnis ihn befriedigt hätte, wäre bei einem  so phantasievollem Künstler weiterhin ungewiss gewesen. Eine  mögliche Lösung könnte hier sein, den Arbeitsumfang zu schätzen  sowie vergleichbare Bilder zu betrachten und beides als Grundlage der  zu erbringenden Leistung mit in den Vertrag aufzunehmen. Wenn dieser  Maler nun angibt etwa 300 Stunden für das Bild zu benötigen, müsste  man in den Wochen und Tagen vor der Fertigstellung den Fortschritt  regelmäßig überprüfen können.
                  
                  Heidelandschaft?
                  Wenn jemand bereits während der  Vertragsverhandlung ein ungutes Gefühl hat und trotz der Bedenken  eine Anlage bestellt, weil sie besonders kostengünstig erscheint,  muss sich des Risikos bewusst sein, dass er damit eingeht. Aber auch  namhafte Anlagenbauer vergeben Aufträge an externe Lieferanten und  nicht alle Mitarbeiter der Projektabwicklung sind gleich qualifiziert  und erfahren. Ein sehr kompetenter und erfahrener  Vertriebsmitarbeiter repräsentiert die Kompetenz des Unternehmens,  aber nicht unbedingt von jedem einzelnen Mitarbeiter.
                  Überraschende  Interpretationsmöglichkeiten
                    Wie bei jedem Vertrag sollte  zunächst in „Prosatext“ allgemein verständlich beschrieben  werden, was man mit der Anlage machen möchte. D.h. hier gehören  auch die ganz normalen alltäglichen Dinge hinein, die „eigentlich“  jeder weiß. 
                  Wenn der Lieferant einem  Referenzanlagen gezeigt hat, deren Steuerungsausführung einem  zusagte, sollte man dies so mit in den Vertrag aufnehmen. Aber man  sollte sich davor hüten etwas pauschal oder mehr als nötig zu  spezifizieren. So bestellte jemand „... eine Sirupausmischanlage  inkl. Steuerung wie gemeinsam in Berlin am 1.12.08 besichtigt“. Nun  wurde die Sirupausmischanlage geliefert, die mitgelieferte Steuerung  gehörte jedoch zu einer Getränkeausmischanlage, denn die gemeinsam  besichtigte Anlage stellte Fertiggetränk und nicht Sirup her.
                  Jemand anderer bestellte eine  Volumenstrom-Regelung und bekam ein Ventil, das er auf und zu machen  konnte. Der Lieferant erläuterte ihm, dass dies eine  Zweipunktregelung sei und er über die Öffnungsdauer die gewünschte  Menge „regeln“ könne. Von einer stufenlosen Regelung des  Volumenstroms wollte der Lieferant nichts wissen. Außerdem  erläuterte der Lieferant, dass es bei einer SPS technisch gar nicht  möglich sei stufenlos zu regeln, da das digitalisierte Signal immer  in maximal etwa 25 000 Stufen regeln könne. Wenn der Kunde  seine Anlage mit einem Volumenstrom zwischen 10 und 20 m³/h mit  einer Genauigkeit von 0,2 m³/h betreiben können möchte, muss er  nichts über die Regelung schreiben.
                  Bei einer anderen Anlage wurden  aufwendige sekundäre Messeinrichtungen zur Verifizierung der primär  installierten Messwertaufnehmer mit dem Lieferanten besprochen und  entsprechend installiert. In der Steuerungsanforderung stand  sinngemäß „... eine Abweichung vom Sollwert außerhalb der  zulässigen Toleranz wird somit von der Steuerung auf jeden Fall  erfasst werden ...“. Sogar wenn man die primären Messwertaufnehmer  spannungslos schaltete, gab es weder eine Störmeldung noch wurde die  Anlage abgeschaltet, sondern sie produzierte weit außerhalb der  Spezifikation einfach weiter. Die Anlage hat den Fehler natürlich  intern „registriert“, dass mit dieser Erkenntnis eine Aktion  erfolgen sollte, hatte dem Programmierer ja niemand gesagt.
                  In einer anderen Bestellung  wurde die Art und der Umfang der Kommentierung der Software  ausführlich beschrieben. Als sie geliefert wurde, war die  Kommentierung jedoch in englischer Sprache, da dieser international  tätige Lieferant dies grundsätzlich so machen würde, damit alle  seine Softwareingenieure problemlos weltweit eingesetzt werden  könnten. Der deutsche Kunde wollte nicht „einsehen“, dass er bei  einem deutschen Lieferanten, der nur 50 Kilometer entfernt seine  Konzernzentrale hat, spezifizieren muss, dass die bestellte  Dokumentation vollständig in deutscher Sprache sein soll.
                  In einem anderen Fall gehörte  die gelieferte Kommentierung der Software zu einem anderen Projekt.  Der Programmierer hatte das Programm eines „ähnlichen“ Projektes  als Grundlage genommen und aus Zeitmangel zwar das Programm, aber  nicht die Kommentierung angepasst. Da er nicht wusste, was er von dem  anderen Programm noch benötigen könnte, löschte er die  Programmteile nicht und dem Kunden wurde ein Programm mit über 1 600  auskommentierten Programmzeilen, mit insgesamt vollkommen unpassenden  Kommentierungen geliefert. Die Parameterliste war überhaupt nicht  angepasst worden und über die Hälfte der Formularfelder gehörten  zu Parametern, die es in dieser Anlage gar nicht gab.
                  Fallstricke der  Visualisierung
                    Ventile mit der Ruhelage offen (federöffnend)  führen regelmäßig zum Streit. Der Bediener will in der Regel  wissen, ob ein Ventil auf oder zu ist. Ob es dafür von der Steuerung  angesteuert werden muss, ist für einige vielleicht interessant,  andere verzichten auf diese Information aber gerne. Wenn aber nur die  Ansteuerung und nicht die Ventilstellung (gemeint ist hier natürlich  das Prozessventil und nicht das Magnetventil im Schaltschrank)  angezeigt werden, verwirrt dies nicht nur den Bediener.
                  Die Visualisierung sollte in der  Regel alle (wesentlichen) Informationen des R+I Schemas enthalten.  Wenn in der Schaltwarte an der Wand ein ausgedrucktes R+I Schema  hängt, weil die Visualisierung nahezu alle nicht-elektrischen  Bauteile nicht darstellt, demonstriert dies, dass die Visualisierung  ungenügend ist.
                  Das R+I Schema ist in der Regel  die Grundlage der Visualisierung. Es muss deshalb sehr sorgfältig  erstellt und geprüft werden. Die Anordnung der Anlagenteile auf dem  R+I Schema in der Art, wie sie der Bediener später von der  Schaltwarte aus sieht, hat sich bewährt und ist mit Hilfe des  Aufstellungsplans eigentlich sehr einfach umzusetzen.
                  
In einem gut ausgeführten R+I  Schema werden die Messwertaufnehmer und die Anzeigen in der  Visualisierung festgelegt. In dem Beispiel (Abb. 2) werden die  Bauteile Druckaufnehmer (PT = Pressure Transmitter) und  Füllstandsgrenzschalter (LS = Level Switch) ebenso wie die Funktion  in der Steuerung als Überfüllsicherung (LA+ = Level Alarm (beim  Ansprechen)) Leermelder (LI = Level Indicator) Leer-Alarm (LA- =  Level Alarm beim (nicht bestimmungsgemäßen) frei werden) und  Volumenanzeige (VI = Volume Indicator) dargestellt. D.h. der LA+ und  der LA- sind beim bestimmungsgemäßen Betrieb überhaupt nicht zu  sehen.
                  Der LI zeigt an, ob der Tank  leer oder teilweise befüllt ist, da der VI im unteren Bereich  möglicherweise nicht oder nur sehr ungenau anzeigt. Der Messwert des  Druckaufnehmers wird niemals als Druck angezeigt, sondern nur intern  genutzt, um den Inhalt des Tanks zu berechnen und in einer im Betrieb  gebräuchlichen Volumeneinheit (l, hl oder m³) anzuzeigen. Weder  eine Druck- noch eine Füllhöhenanzeige sind hier für den Bediener  akzeptabel.
                  Das beim bestimmungsgemäßen  entleeren des Tanks der untere Füllstandsgrenzschalter keinen Alarm  auslösen soll, ist eigentlich jedem einleuchtend, da es für den,  der die Steuerung programmiert, einen höheren Aufwand bedeutet dies  richtig umzusetzen, führt dies regelmäßig zu unnötigen  Diskussionen. Die in Abb.2 verwendeten Diagrammsymbole sind nicht  normgerecht. Die Norm ist unvollständig und geht auch heute noch  davon aus, dass die Symbole per Hand am Brett und nicht mit einem  CAD-Programm gezeichnet werden. Nahezu kein Anlagenbauer fertigt R+I  Schemata normgerecht an.
                  Funktionen, die nicht aus dem  R+I Schema ersichtlich sind, müssen mit einem anderen Dokument mit  entsprechend höherer Priorität festgelegt werden. Im Beispiel der  Abb. 2 wäre z.B. statt „VI“ die Bezeichnung „LI“ (Level  Indikator) normgerecht. Aber wenn man nicht irgendwo festlegt, dass  man Füllstände in Volumen, in der Einheit Liter, ohne Kommastellen,  auf 5 l gerundet angezeigt bekommen will, bekommt man den Füllstand  möglicherweise in Meter ohne Nachkommastellen, oder in µm mit 3  Nachkommastellen angezeigt. Falls man nicht Einheiten und  Nachkommastellen festlegt, muss man evtl. CIP-Soll-Zeiten in  Millisekunden eingeben. Diese Beispiele klingen so, als ob sie aus  Schilda stammen würden, aber scheinbar ist Schilda in ganz  Deutschland.
                  Unzureichend oder falsch  parametrierte Frequenzumformer und PID-Regler sind eher Regel als  Ausnahme. Zu einem Standard-Reglerbaustein gehört immer eine  Trendanzeige. Unverständliche Fehlermeldungen kennt jeder  Microsoftnutzer, aber deshalb entsprechen sie trotzdem nicht „den  anerkannten Regeln der Technik“. Die Bedienung muss  anwenderorientiert sein, denn die Steuerung bestimmt die Ergonomie  der Anlage.
                  Fazit
                  Es ist nicht  möglich eine Software vollständig zu beschreiben. Deshalb sollte  schriftlich zum Ausdruck gebracht werden, wie wichtig einem die  Steuerungssoftware ist und welche Funktionen man zwingend erwartet.  Höfliche Formulierungen könnten als Kann- oder Wunsch-Anforderung  ausgelegt werden. Die Verwendung einer Technikklausel macht Sinn,  wenn sie klar definiert ist.
                  Auf Grundlage des vereinbarten  Kaufpreises kann abgeschätzt und somit auch festgelegt werden, zu  welchem Zeitpunkt wie viel der Programmierarbeit abgeschlossen sein  muss; diese Zwischenziele sollten kontrolliert werden. Die  Nicht-Einhaltung von Vereinbarungen muss schmerzhafte Konsequenzen  zur Folge haben.
                  Gesunder Menschenverstand reicht  nicht aus, die vereinbarte Leistung muss allgemeinverständlich und  möglichst ausführlich beschrieben sein. Falls der Lieferant Fragen  nach der Darstellung einer Verriegelung nicht beantworten kann oder  sich weigert im R+I Schema unterschiedlich dargestellte Bauteile auch  in der Visualisierung zu differenzieren, ist es möglicherweise nicht  mehr nötig über die Darstellung von nicht steuerungsrelevanten  Bauteilen zu sprechen.