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Raimund Kalinowski

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Aseptik - eine Steigerungsform von „Hygienische Ausführung“?

Eine Begriffsbestimmung

Das Wort Sauberkeit ist offensichtlich nicht „cool“ genug, so dass vermehrt das Wort Hygiene als Pseudonym für Sauberkeit verwendet wird. Auch die EHEDG verwendet das Wort Hygiene vornehmlich im Sinne von Sauberkeit bzw. Reinigungsfähigkeit. Dies ist jedoch nur ein sehr winziger Teilaspekt der Hygiene.

Der maßgebliche Mitarbeiter eines von der EHEDG akkreditierten Labors behauptete im Jahre 2005, das Scheibenventile nicht hygienisch wären - wie seiner Meinung nach ja jeder wisse - und deshalb auch nicht von der EHEDG „abgenommen“ werden könnten. Als man ihm sagte, das es ein „abgenommenes“ Scheibenventil gäbe, versuchte er zunächst das hoch angesehene, von der EHEDG selbstverständlich ebenfalls akkreditierte Labor eines westlichen Nachbarstaates in Misskredit zu bringen. Seine Inkompetenz gipfelte darin, dass er, um sein Geplapper zu rechtfertigen, Begriffe wie Hygiene und Aseptik verwendete ohne diese Begriffe verstanden zu haben. Der EHEDG kann nur empfohlen werden, die Mitarbeiter der akkreditierten Laboratorien besser zu schulen.

Das Wort Sauberkeit ist offensichtlich nicht „cool“ genug, so dass vermehrt das Wort Hygiene als Pseudonym für Sauberkeit verwendet wird. Auch die EHEDG verwendet das Wort Hygiene vornehmlich im Sinne von Sauberkeit bzw. Reinigungsfähigkeit. Dies ist jedoch nur ein sehr winziger Teilaspekt der Hygiene.

Begriffe wie Hygiene, Desinfektion oder Aseptik wurden vor über 100 Jahren zunächst in der Medizin verwendet. Hygiene bedeutet hiernach die Beeinflussung der Gesundheit und des Wohlbefindens des Menschen. Hygéia, die griechische Göttin für Gesundheit, stand Pate bei der Namensgebung.

Das heißt, alles was einen direkten oder indirekten Einfluss auf das Wohlbefinden hat, wird im weitesten Sinne zur Hygiene gezählt. Ein wichtiger und großer Bereich ist die Umwelthygiene. In diesen Bereich fallen z.B. Emissionen jeglicher Art, inkl. Strahlung, Lärm und Vibrationen. Aber auch Aspekte wie Ergonomie haben einen Einfluss auf das Wohlbefinden und gehören deshalb ebenso wie z.B. die Beleuchtung oder Klimatisierung zur Hygiene.

- Würde man, ohne ihn vorher zu reinigen (!), von einem Teller essen, der den ganzen Sommer über offen auf der Terrasse gestanden hat?
- Wie wird Vollkornmehl hergestellt?
- Wird das Getreide vor der Vermahlung gewaschen?
- Welche Verschmutzungen von Staub bis Vogelkot treten auf?
- Ab wo gelten welche Hygienemaßnahmen?
- Sind die selben Maßnahmen bereits beim Bauern auf dem Feld anzuwenden wie in einer Brotfabrik?
- Ist Hygiene ein qualitatives Merkmal oder ist sie z.B. über den Keimgehalt quantifizierbar?

Die Antworten auf diese Fragen fallen nicht leicht, denn allzu leicht verstrickt man sich in Widersprüche beim Versuch eine akzeptable Antwort zu finden.

Eine Maßnahme, die in einem Falle hygienisch einwandfrei ist, kann in einem anderen Falle unhygienisch sein. Ein Wasserhahn, der zur hygienisch einwandfreien Entnahme von Trinkwasser in der Küche dient, wird in einem Lebensmittelbetrieb im Produktbereich aus „hygienischen Gründen“ nicht eingesetzt. Toilettenpapier zweckbestimmend eingesetzt ist dem Wohlbefinden zuträglich. Nahrungsmittel in Toilettenpapier gewickelt würden - obwohl aus Sicht der (mikrobiologischen) Sauberkeit vollkommen unproblematisch - von vielen Leuten abgelehnt werden.

Hygiene hat etwas mit kulturellen Wertevorstellungen zu tun! Ein sehr wichtiger Aspekt hierbei ist der Ekel.

Zollstock, Schieblehre, Schraubenzieher, Stundenkilometer, Wärmetauscher, Hygiene, Worte die sich im Sprachgebrauch für etwas bestimmtes etabliert haben. Teilweise wissen nur Fachleute, das Wärme nicht ausgetauscht wird wie eine fremde Währung in der Wechselstube sondern die Bezeichnung Wärmeübertrager korrekt wäre. Es ist zwar möglich das Produkt aus Kilometer und Stunde zu bilden, aber üblicherweise wird es fälschlicherweise für die Geschwindigkeitsangabe, die richtig in Kilometer pro Stunde angegeben wird, verwendet.

Auch wenn das Wort Hygiene im gewohnheitsgemäßen Sprachgebrauch meist für Sauberkeit oder Reinigungsfähigkeit verwendet wird, ist dies doch falsch.

Zustände die krank machen oder ein Unwohlsein hervorrufen sind unhygienisch. Dies fängt bei der Sozialhygiene an [Stichwort: Mobbing] geht über Ekel bis hin zu verdorbenen Produkten in denen sich toxische oder/und virulente Stoffe [Fähigkeit, in gesundes Gewebe einzudringen, sich dort zu vermehren und zu schädigen] befinden.

Ein Kükenhahn, z.B. als Probenahmeventil am Einlauf des Füllers, unfachmännisch mit Rohrgewinde in eine Muffe eingeschraubt, ist nicht CIP-fähig, hat tote Enden, ist schwer bedienbar und häufig undicht und entspricht trotzdem den Grundregeln der Hygiene im ursprünglichen Sinn.

Einige, meist große Firmen haben deshalb folgerichtig Hygiene in ihren Einkaufsbedingungen definiert. Sie verlangen z.B. das alle Bauteile entsprechend den Richtlinien der EHEDG konstruiert [dies bedeutet nicht zwangsläufig eine Abnahme durch ein von der EHEDG akkreditiertes Labor] und gemäß GMP [good manufacturing practice - „gute Herstellungsverfahren“] gefertigt werden. Werksprüfzeugnisse nach 2.2 gemäß EN 10204 werden als Dokumentation für die Einhaltung der gestellten Forderungen mitbestellt. Falls ein Hersteller hierfür einen (nennenswerten) Aufschlag verlangt, sollte dies einem zu denken geben was dieser Hersteller ohne diese Forderungen geliefert hätte, da es eigentlich keinen Mehraufwand bedeutet und damit keinen Aufschlag rechtfertigt.

CIP-fähig bedeutet die Reinigungsfähigkeit ohne Demontage. Der Hersteller eines Kugelventils mit sogenannter C-Kugel verlangt, das während der (automatischen) Reinigung das Ventil regelmäßig geschaltet wird, um ein zufriedenstellendes Resultat während der Reinigung zu erreichen. Probenahmeventile müssen zur Reinigung während der CIP geöffnet werden und am Ende der CIP geschlossen sein, um ein eindringen von atmosphärischer Luft zu verhindern. Bei der heute üblichen automatischen CIP ist dies nur möglich, wenn diese Ventile mit automatisch betätigten Antrieben ausgerüstet sind. Insbesondere bei Probenahmeventilen gehört dies bei den meisten Lieferanten nicht zum Standard und kann mit Hinweis auf die Hygiene nicht verlangt werden, da ein Rest Waldmeisterbrause in der darauffolgenden Cola nicht auffällt, nicht krank macht und auch meist keinen Ekel verursacht, wäre er aus hygienischer Sicht akzeptabel.

 

Unfachmännische Montage eines Probenahmeventils mit Flachdichtung und langem Totraum:


Eine sehr brauchbare Definition der Reinigung ist die Angabe einer maximal zulässigen Keimzahl im letzten Spülwasser sowie die Forderung, das nachdem ein koffein- und zuckerhaltiges Getränk abgefüllt wurde, nach der Reinigung an keiner Stelle der Anlage Zucker oder Koffein nachweisbar sein dürfen. Manuell auszuführende Arbeiten, z.B. das Schalten von Umschaltbögen oder von manuell zu betätigenden Ventilen sollten vor der Vertragsunterzeichnung oder Bestellung klar definiert sein. Eine Formulierung wie: „... außer den unter... genannten Arbeiten sind keinerlei manuell durchzuführende Arbeiten notwendig, um mit einer automatisch durchgeführten Reinigung sichtbare Verunreinigungen zu entfernen, eine Keimzahl von unter 1 Hefezelle pro 100ml im letzten Spülwasser sowie Koffein- und Keimfreiheit zu erreichen“.

Aseptik bezeichnet die Keimfreiheit. Da es in der Technik und im realen Leben ein 100% Resultat im allgemeinen nicht gibt, haben einige Branchen den Begriff Aseptik intern „ausgehandelt“

Mineralwasser von internationalem Konzern aseptisch abgefüllt, Schimmelpilzwachstum nach deutlicher Überschreitung des MHD

Auch in der Medizin bedeutet Asepsis nicht zwingend, das eine Wunde 100% keimfrei ist, sondern nur, das der Keimgehalt so niedrig ist, das eine Infektion nicht stattfinden kann.

Viele aseptische Bauteile genügen den Ansprüchen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie nicht. Z.B. sind Ventile aseptisch, wenn der Produktraum sterilisierbar und vom Antriebsraum hermetisch getrennt ist. Dieser Anforderung genügen z.B. Membranventile in Nierenform mit Gehäusen aus Feinguss ohne weitere Behandlung der Oberfläche, d.h. mit mittleren Rauhtiefen von ˜ 6 µm. Im Gegensatz zu Schmiedeteilen ist es technisch nicht möglich Feinguss absolut lunkerfrei herzustellen. Selbst bei einer Röntgenprüfung fallen kleine Lunker im Größenbereich von wenigen Mikrometern im allgemeinen nicht auf. Übliche Membranventile in Nierenform verfügen weder über eine definierte Verformung der Dichtung noch über einen metallischen Anschlag.

Tiefgezogenes Rohr, wie es in der pharmazeutischen Industrie regelmäßig verwendet wird, hat innen eine mittlere Rauhtiefe die ein vielfaches von dem beträgt, das längsnahtgeschweißtes Getränkeleitungsrohr aufweist. Außen werden diese „Pharmarohre“ üblicherweise geschliffen, damit sich im Betrieb kein Staub absetzen kann. Aus dem selben Grund werden dort waagerechte Leitungen auch oberhalb einer abgehängten Decke verlegt. Innen reicht den Pharmabetrieben eine Hitzesterilisation aus, um eine keimfreie Oberfläche zu erreichen.

So wie die technischen Möglichkeiten es heute erlauben Drehteile ohne weitere Oberflächenbehandlung mit einer Rauhtiefe von < 0,8 µm herzustellen, so steigen die diesbezüglichen Forderungen der Kunden. Wer eine besonders gleichmäßige, glänzende Oberfläche wünscht, sollte sie möglichst mit Vergleichsmustern beschreiben. Die Nennung einer mittleren Rauhtiefe ist hierfür jedoch kaum geeignet.

Elektrolytisches Polieren verringert die Oberfläche und macht bereits aus Gründen des Korrosionsschutzes Sinn. Die alleinige Angabe der Rauhtiefe sagt jedoch wenig über die Oberflächengüte aus.

Da Begriffe wie Hygiene, Aseptik, CIP-fähig oder mittlere Rauhtiefe vom Kunden häufig in Erwartung bestimmter Eigenschaften verwendet werden, ist der Streit vorprogrammiert wenn der Lieferant liefert „wie bestellt“.

Dem Kunden muss deshalb dringend empfohlen werden - falls nötig mit externer Hilfe - Funktionen und Erwartungen in seiner Bestellung detailliert zu beschreiben. Die vom Lieferanten im Angebot gewählten Bezeichnungen reichen hierfür meist nicht aus bzw. sind zur Beschreibung der erwarteten Funktion und Qualität häufig vollkommen unbrauchbar.


 


© 2006 by Raimund Kalinowski